Montag, 16. Mai 2016

C. G. Jung „Antwort auf Hiob“ - 7

Monreale, Apsis, Pantokrator

Das Erscheinen Jesu Christi

Eine kurze Vorbemerkung. Nach meinem Wahrnehmen fällt das Christus-Kapitel ab (deshalb auch als Nachtrag dargeboten, hindurchgemüht habe ich mich vergangene Nacht dennoch, eine Zusammenfassung des Bisherigen hier). Fast gewinnt man den Eindruck, er fühle sich dabei reichlich unwohl. Aber wenn man von der Singularität des Christus-Ereignisses ausgeht, sind alle, die von Vorbildern, zeitgenössischen Parallelen u.ä. leben, also ins Bekannte einordnen müssen, sowieso im Nachteil.

Da sind die Vertreter der sog. historisch-kritischen Methode, so sie nichts anderes kennen, kurioserweise in einer ähnlichen Situation, sie betreiben ihre Vivisektionen und wundern sich am Ende allenfalls, daß nunmehr alles doch sehr tot sei (oder werden ehrlicherweise gleich Atheisten). Jung sieht überall Reinkarnationen, was am Ende aber auch auf eine gewisse Monotonie hinausläuft. Wir brechen ab.

Monreale,  Christus Pantokrator

Nachdem Jung also so forsch vorangeschritten war, macht sich eine gewisse Vorsicht bemerkbar. Er greift nach vorhandenen Bildern, sprich Archetypen, etwa dem des göttlichen Helden: „Er ist ja nicht bloß als nationaler Messias, sondern als universaler Menschenerretter gedacht, infolgedessen kommen auch die heidnischen Mythen bzw. Offenbarungen in bezug auf das Leben eines von den Göttern ausgezeichneten Mannes in Betracht.“

Die Geburt Christi sei daher gekennzeichnet durch die bei Heldengeburten üblichen Begleiterscheinungen... Das Motiv des Heldenwachstums sei noch erkennbar in der Weisheit des Zwölfjährigen im Tempel etwa.

Aus den erhaltenen Traditionen ein biographisches Bild Christi zu rekonstruieren, sei aber ungemein schwierig, die als historisch verifizierbaren Tatsachen äußerst spärlich. Der Hauptgrund hierfür - Christus erleide neben menschlichem Schicksal auch göttliches. Die beiden Naturen durchdrängen sich derart, daß ein Trennungsversuch beide Naturen verstümmele.

„Die Göttlichkeit überschattet den Menschen, und der Mensch ist als empirische Persönlichkeit kaum erfaßbar.“ Auch die Erkenntnismittel der modernen Psychologie genügten nicht, um alle Dunkelheiten aufzuhellen. Jeder Versuch, einen einzelnen Zug der Klarheit halber herauszuheben, vergewaltige einen anderen, der entweder hinsichtlich der Göttlichkeit oder hinsichtlich der Menschlichkeit ebenso wesentlich sei.

„Das Alltägliche ist vom Wunderbaren und Mythischen dermaßen durchwoben, daß man seiner Tatsachen nie ganz sicher ist. Was wohl am meisten stört und verwirrt, ist der Umstand, daß gerade die ältesten Schriften, nämlich diejenigen des Paulus, für die konkrete menschliche Existenz Christi nicht das mindeste Interesse zu haben scheinen.“

Die „Philanthropie“ trete besonders deutlich hervor. Dafür werden sogleich Verbindungen bis hin zur Liebesgöttin als Mutter des frühsterbenden Gottes gefunden. Mit anderen Worten, Jung stochert im Nebel.

Die Philanthropie Christi werde aber nicht unwesentlich eingeschränkt durch eine gewisse prädestinatianische Neigung. Fasse man sie psychologisch auf, so bewirke die Anspielung auf Vorherbestimmung leicht ein Gefühl der Ausgezeichnetheit.

„Wenn einer weiß, daß er seit Anfang der Welt von göttlicher Wahl und Absicht ausersehen ist, so fühlt er sich herausgehoben aus der Hinfälligkeit und Belanglosigkeit der gewöhnlichen menschlichen Existenz und versetzt in einen neuen Stand der Würde und der Bedeutsamkeit eines, der am göttlichen Weltdrama teilhat. Damit wird der Mensch in die Gottesnähe entrückt, was dem Sinne der evangelischen Botschaft durchaus entspricht.“

Neben der Menschenliebe mache sich im Charakter Christi eine gewisse Zornmütigkeit bemerkbar, und ebenso ein Mangel an Selbstreflexion. Nirgends finde sich ein Anhaltspunkt dafür, daß Christus sich je über sich selber gewundert hätte. „Von dieser Regel gibt es nur eine bedeutende Ausnahme: der verzweiflungsvolle Aufschrei am Kreuz: 'Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?'

Hier erreicht sein menschliches Wesen Göttlichkeit, nämlich in dem Augenblick, wo der Gott den sterblichen Menschen erlebt und das erfährt, was er seinen treuen Knecht Hiob hat erdulden lassen. Hier wird die Antwort auf Hiob gegeben, und, wie ersichtlich, ist auch dieser supreme Augenblick ebenso göttlich wie menschlich, ebenso 'eschatologisch' wie 'psychologisch'.“

Auch hier, wo man restlos den Menschen empfinden könne, sei der göttliche Mythus ebenso eindrucksvoll gegenwärtig. Und beides sei eines und dasselbe. Wie wolle man da die Gestalt Christi „entmythologisieren“? „Ein solcher rationalistischer Versuch würde ja das ganze Geheimnis dieser Persönlichkeit herauslaugen, und was übrig bliebe, wäre nicht mehr die Geburt und das Schicksal eines Gottes in der Zeit, sondern ein historisch schlecht beglaubigter religiöser Lehrer, ein jüdischer Reformator, der hellenistisch gedeutet und mißverstanden wurde - etwa ein Pythagoras oder meinetwegen ein Buddha oder ein Mohammed, aber keinesfalls ein Sohn Gottes oder ein Mensch gewordener Gott.“

Überdies scheine man sich nicht genügend darüber Rechenschaft zu geben, zu was für Überlegungen ein von aller Eschatologie desinfizierter Christus Anlaß geben müßte. Zu was für einem Schlusse müsse man etwa notwendigerweise gelangen, wenn man z. B. die Aussage: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“, auf eine persönliche Psychologie reduziere? „Was soll eine Religion ohne Mythus, wo sie doch, wenn überhaupt etwas, eben gerade die Funktion bedeutet, die uns mit dem ewigen Mythus verbindet?“ (!)

Auf Grund dieser eindrucksvollen Unmöglichkeiten habe man gelegentlich angenommen, Christus sei überhaupt nur ein Mythus, oder eine Fiktion. „Der Mythus ist aber keine Fiktion, sondern besteht in beständig sich wiederholenden Tatsachen, die immer wieder beobachtet werden können. Er ereignet sich am Menschen, und Menschen haben mythische Schicksale so gut wie griechische Heroen. Daß das Christusleben in hohem Grade Mythus ist, beweist daher ganz und gar nichts gegen seine Tatsächlichkeit; ich möchte fast sagen, im Gegenteil, denn der mythische Charakter eines Lebens drückt geradezu die menschliche Allgemeingültigkeit desselben aus.“

Es sei psychologisch durchaus möglich, daß das Unbewußte, bzw. ein Archetypus einen Menschen völlig in Besitz nähme und sein Schicksal bis ins kleinste determiniere. Dabei könnten objektive, d. h. nichtpsychische Parallelerscheinungen auftreten, welche ebenfalls den Archetypus darstellten. Er erfülle sich dann nicht nur psychisch im Individuum, sondern auch außerhalb desselben objektiv. Das Christusleben sei gerade so, wie es sein müsse, wenn es das Leben eines Gottes und eines Menschen zugleich sei.

„Es ist ein Symbolum, eine Zusammensetzung heterogener Naturen, etwa so, wie wenn man Hiob und Jahwe in einer Persönlichkeit vereinigt hätte. Jahwes Absicht, Mensch zu werden, die sich aus dem Zusammenstoß mit Hiob ergeben hat, erfüllt sich im Leben und Leiden Christi.“

Eine Argumentationführung, die gespenstisch wirken mag, aber wir wollten ja vor allem referieren, und möglichst wenig urteilen.

Jung fragt anschließend – wo bleibt Satan, trotz gelegentlicher Cameoauftritte?

Monreale,  Christi Versuchung

Seine relative Unwirksamkeit erkläre sich einesteils gewiß aus der sorgfältigen Vorbereitung der Gottesgeburt, andererseits aber auch aus einem merkwürdigen metaphysischen Ereignis, welches Christus wahrgenommen habe: „Er sah, wie Satan wie ein Blitz aus dem Himmel fiel. Dieses Gesicht betrifft das Zeitlichwerden einer metaphysischen Begebenheit, nämlich die historische (vorderhand) endgültige Trennung Jahwes von seinem dunkeln Sohn. Satan ist aus dem Himmel verbannt und hat keine Gelegenheit mehr, seinen Vater zu zweifelhaften Unternehmungen zu überreden.“

Dieses „Ereignis“ dürfte erklären, warum Satan, wo immer er in der Menschwerdungsgeschichte auftauche, eine so unterlegene Rolle spiele, die in nichts mehr an das frühere Vertrauensverhältnis zu Jahwe erinnere.

Er habe die väterliche Geneigtheit offenbar verscherzt und sei ins Exil geschickt worden. Er werde nicht direkt in die Hölle, sondern auf die Erde geworfen und solle erst in der Endzeit eingeschlossen und dauernd unwirksam gemacht werden.

Der Opfertod Christi als ein von Jahwe gewähltes Schicksal bedeute die Wiedergutmachung für das Hiob geschehene Unrecht einerseits, und andererseits eine Leistung zugunsten der geistigen und moralischen Höherentwicklung des Menschen. Denn zweifellos werde der Mensch in seiner Bedeutung gemehrt, wenn sogar Gott selber Mensch werde.

Infolge der relativen Einschränkung des Satan sei Jahwe durch Identifikation mit seinem lichten Aspekt zu einem guten Gott und liebenden Vater geworden. Er habe zwar seinen Zorn nicht verloren und könne strafen, aber mit Gerechtigkeit. Fälle in der Art der Hiobstragödie seien anscheinend nicht mehr zu erwarten.

Obwohl: Obschon Christus ein vollkommenes Vertrauen in seinen Vater habe und sich sogar eins mit ihm wisse, könne er doch nicht umhin, im Vaterunser eine vorsichtige Bitte (und Warnung) einzuflechten. „Das heißt, Gott möge uns nicht direkt durch Verlockung zum Bösen veranlassen, sondern uns lieber davon erlösen. Die Möglichkeit, daß Jahwe, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und trotz seiner ausgesprochenen Absicht, zum Summum Bonum zu werden, wieder auf frühere Wege zurückgeraten könnte, liegt also nicht so fern, als daß sie nicht im Auge behalten werden müßte.“

„Die sechste Bitte des Vaterunsers läßt in der Tat tief blicken, denn angesichts dieser Tatsache wird die immense Sicherheit Christi hinsichtlich des Charakters seines Vaters etwas fraglich.“ Es sei ja leider eine allgemeine Erfahrung, daß besonders positive und kategorische Behauptungen namentlich dort aufträten, wo ein leiser Zweifel, der sich im Hintergrund bemerkbar mache, aus der Welt geschafft werden solle.

Dieser Zweifel Christi werde in der Apokalypse des Johannes bestätigt. Dort liefere sich nämlich Jahwe wiederum einer unerhörten Zerstörungswut gegenüber der Menschheit aus.

„Man ist in der Tat in Verlegenheit, wie man eine derartige Reaktion mit dem Verhalten eines liebenden Vaters, von dem man erwarten müßte, er werde seine Schöpfung mit Geduld und Liebe schließlich verklären, in Einklang bringen könnte. Es hat sogar allen Anschein, als ob gerade der Versuch, dem Guten endgültig und absolut zum Siege zu verhelfen, zu einer gefährlichen Aufstauung des Bösen und damit zu einer Katastrophe führen müßte. Neben dem Weltende ist die Zerstörung von Sodom und Gomorrha, ja sogar die Sintflut, reines Kinderspiel; denn dieses Mal geht die Schöpfung überhaupt aus den Fugen.“

Dem Weltende gehe die Tatsache voraus, daß selbst der Sieg des Gottessohnes Christus gegen seinen Bruder, den Satan, nicht wirklich und endgültig erfochten sei, denn es sei zuvor noch eine letzte machtvolle Manifestation Satans zu erwarten.

Man könne kaum annehmen, dass die Inkarnation Gottes in seinem einen Sohne Christus vom Satan ruhig hingenommen würde. „Sie muß gewiß seine Eifersucht aufs Höchste erregt und in ihm den Wunsch wachgerufen haben, Christus nachzuahmen.“

Dieser Plan werde durch die Gestalt des Antichristus zur Ausführung gebracht. Ein Zweifel werde laut an der unmittelbaren Endgültigkeit oder der universalen Wirksamkeit des Erlösungswerkes. Leider, müsse man sagen, bildeten diese Erwartungen unreflektierte Offenbarungen, die mit der sonstigen Heilslehre nirgends auseinandergesetzt oder gar in Einklang gebracht würden.

Jung droht jetzt schon mal, sich später der Apokalypse ausführlicher zuwenden zu wollen, ein Versprechen, das er leider (ist man versucht zu sagen) einlösen wird.

Zuvor aber müßten wir uns der Frage zuwenden, wie es sich mit der Menschwerdung Gottes über Christi Tod hinaus verhalte. Schließlich habe man seit alters gelehrt, daß die Menschwerdung ein einmaliges historisches Ereignis sei. Man könne keine Wiederholung desselben und ebenso wenig eine weitere Offenbarung des Logos erwarten, denn auch diese sei in der Einmaligkeit der vor bald 2000 Jahren erfolgten Erscheinung des Mensch gewordenen Gottes auf Erden beschlossen. (sic!)

Monreale,  hier gefunden

Mit dem Schluß des Neuen Testamentes hörten die authentischen Mitteilungen Gottes auf. Soweit die protestantische Sicht. Die katholische Kirche als direkte Erbin des historischen Christentums erweise sich in dieser Frage vorsichtiger, denn sie nähme an, daß das Dogma mit Beihilfe des Heiligen Geistes sich weiterentwickeln und entfalten könne.

Diese Auffassung stehe in bester Übereinstimmung mit Christi Lehre vom Heiligen Geiste und damit der weiteren Fortsetzung der Inkarnation. Christus sei der Ansicht, daß, wer glaube, daß er der Sohn Gottes sei, der könne die Werke, die er tue, auch tun und noch größere als diese. Er erinnere seine Jünger daran, daß ihnen gesagt sei, sie seien Götter.

„Wenn Christus den irdischen Schauplatz verläßt, so wird er den Vater bitten, den Seinen einen 'Beistand' (den 'Parakleten') zu senden, der in Ewigkeit bei und in ihnen bleibt. Der Beistand aber ist der Heilige Geist, der vom Vater her gesendet wird. Dieser 'Geist der Wahrheit' wird die Gläubigen lehren und 'in die ganze Wahrheit leiten'.“

Christus habe sich demnach eine beständige Verwirklichung Gottes in dessen Kindern und daher in seinen Geschwistern im Geiste gedacht.

„Da der Heilige Geist die dritte Person der Trinität darstellt, und in jeder der drei Personen jeweils der ganze Gott gegenwärtig ist, so bedeutet die Einwohnung des Heiligen Geistes nichts weniger als eine Annäherung des Gläubigen an den Status des Gottessohnes. Man begreife daher unschwer den Hinweis: „Ihr seid Götter.“

„Dieser deifizierenden Wirkung des Heiligen Geistes kommt natürlich die dem Erwählten eigentümliche Imago Dei entgegen. Gott in der Gestalt des Heiligen Geistes schlägt sein Zelt bei und in den Menschen auf, denn er ist offenbar gesonnen, nicht nur in den Nachkommen Adams, sondern auch in einer unbestimmt großen Anzahl von Gläubigen, oder vielleicht in der Menschheit überhaupt, sich fortschreitend zu verwirklichen. „

Es sei daher symptomatisch bezeichnend, daß Barnabas und Paulus in Lystra mit Zeus und Hermes identifiziert wurden: „'Die Götter sind den Menschen ähnlich geworden und zu uns herabgestiegen'. Das war allerdings die naivere heidnische Auffassung der christlichen Transmutation, aber eben gerade deshalb überzeugt sie.“

Die Inkarnation Gottes in Christo bedürfe insofern einer Fortsetzung und Ergänzung, als Christus infolge der Parthenogenesis und der Sündlosigkeit kein empirischer Mensch gewesen sei und daher, wie es bei Joh. 1 heiße, ein Licht darstelle, das zwar in die Finsternis leuchtete, aber von dieser nicht begriffen würde. Er bliebe außerhalb und oberhalb der wirklichen Menschheit.

„Hiob aber war ein gewöhnlicher Mensch, und deshalb kann nach göttlicher Gerechtigkeit das ihm und, mit ihm, der Menschheit geschehene Unrecht nur durch eine Inkarnation Gottes im empirischen Menschen wieder gut gemacht werden. Dieser Sühneakt wird durch den Parakleten vollzogen, denn wie der Mensch an Gott, so muß Gott am Menschen leiden. Anders kann es keine 'Versöhnung' zwischen den beiden geben.“

Die fortlaufende, unmittelbare Einwirkung des Heiligen Geistes auf die zur Kindschaft berufenen Menschen bedeute de facto eine in die Breite sich vollziehende Menschwerdung. Christus, als der von Gott gezeugte Sohn, sei ein Erstling, der von einer großen Anzahl nachgeborener Geschwister gefolgt würde.

Diese tiefgreifenden Änderungen im menschlichen Status seien direkt durch das Erlösungswerk Christi bewirkt. Die Erlösung oder Errettung habe verschiedene Aspekte, so vor allem den einer durch Christi Opfertod geleisteten Sühne für die Verfehlungen der Menschheit. Sein Blut reinige uns von den bösen Folgen der Sünde. Er versöhne Gott mit dem Menschen und befreie diesen von dem ihm drohenden Verhängnis des Gotteszornes und der ewigen Verdammnis.

„Es leuchtet unmittelbar ein, daß derartige Vorstellungen Gottvater immer noch als den gefährlichen und deshalb zu propitiierenden Jahwe voraussetzen: der qualvolle Tod seines Sohnes muß ihm Genugtuung für eine Beleidigung leisten: er hat einen 'tort moral' erlitten und wäre eigentlich geneigt, sich dafür furchtbar zu rächen. Wir stolpern hier wiederum über das Mißverhältnis zwischen einem Weltschöpfer und seinen Geschöpfen, die sich zu seinem Ärger nie so benehmen, wie es seiner Erwartung entspräche.“

Es sei, wie wenn jemand eine Bakterienkultur anlegte, welche ihm mißrate. Er würde doch besser einen passenderen Nährboden auswählen. „Das Verhalten Jahwes gegenüber seinen Geschöpfen widerspricht allen Anforderungen der sog. 'göttlichen' Vernunft.“ Zudem komme, daß ein Bakteriologe in der Wahl seines Nährbodens sich irren könne. Gott aber, vermöge seiner Allwissenheit, könne sich nie irren, wenn er diese befrage. Er habe allerdings seine menschlichen Geschöpfe mit einem gewissen Bewußsein und daher mit einem entsprechenden Grade von Willensfreiheit ausgestattet. Aber er könne auch wissen, daß er dadurch den Menschen in Versuchung führe, einer gefährlichen Selbständigkeit zu verfallen.

Das wäre insoweit kein zu großes Risiko, wenn der Mensch es mit einem nur gütigen Schöpfer zu tun hätte. Aber Jahwe übersähe seinen Satanssohn, dessen List sogar er selber gelegentlich erläge. Wie sollte er da erwarten können, daß der Mensch es besser mache? „Zudem übersieht er, daß, je mehr Bewußtsein ein Mensch besitzt, er desto mehr von seinen Instinkten, die ihm wenigstens noch eine gewisse Witterung von der verborgenen Weisheit Gottes geben, abgetrennt und jeder Irrtumsmöglichkeit preisgegeben ist. Satans List ist er schon gar nicht gewachsen, wenn nicht einmal sein Schöpfer diesem mächtigen Geiste Einhalt gebieten kann oder will.“

Wir brechen hier besser ab, immerhin sind wir beim Heiligen Geist, jedenfalls nach dem Verständnis Jungs, angelangt. Das war schließlich die ursprüngliche Intention. Dem nächsten Abschnitt werde ich mich wohl eher wieder nur nächtlich zuwenden können. Da erscheint einem anderes wirklicher und man ist bereit, die verstiegensten Dingen nachzuverfolgen, vermutlich, da man selbst schon leicht entrückt ist.

Monreale, hier gefunden

nachgetragen am 19. Mai

2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

"Dem nächsten Abschnitt werde ich mich wohl eher wieder nur nächtlich zuwenden können. Da erscheint einem anderes wirklicher und man ist bereit, die verstiegensten Dingen nachzuverfolgen, vermutlich, da man selbst schon leicht entrückt ist."

Genau. Die Nacht ist die viel groessere Welt. Was taeten wir, wenn wir die Nacht nicht haetten?

"Weil' auf mir, du dunkles Auge,
übe deine ganze Macht,
ernste, milde, träumereiche,
unergründlich süße Nacht.
Nimm mit deinem Zauberdunkel
diese Welt von hinnen mir,
daß du über meinem Leben
einsam schwebest für und für."

"Von Zeit zu Zeit seh' ich den Alten gern
und huete mich, mit ihm zu brechen..."

Herzlichen Dank fuer die Fortsetzung, fuer die Opferung Ihrer Nachtruhe, und fuer die Bilder von Monreale, besonders das mit dem zentralen Pankrator. Mein Erleben von Monreale in den Fuenfzigerjahren war fuer mich das bei weitem staerkste Gefuehlserfassen der Seele einer Kirche (und einer Zeit). Das muss so etwas gewesen sein wie Yeats und die Mosaike von Ravenna.

MartininBroda hat gesagt…

Nun lieber Herr Professor, ich danke Ihnen für die Ermunterung. Es muß kurz nach Ostern 1995 gewesen sein, als ich in Palermo war. Am Tag ihrer Schließung konnte ich gerade noch eine Sonderausstellung anläßllich der Geburt Friedrich II. 800 Jahre zuvor besuchen. Auch mir ist diese Reise sehr eindrücklich geblieben, nicht zuletzt wegen Monreale, aber eine kleine Anekdote will ich nicht vorenthalten.

Damals war mein Geist noch wacher und es gelang mir, für die Dauer der Reise einige italienische Phrasen auswendig zu lernen, die die Ärmsten sogar verstanden. Ich war bei meiner Ankunft dort verständlicherweise in Zeitnot und fragte ausgerechnet eine Nonne vor dem Dom nach dem Ort der Ausstellung. Sie verstand mich auch, denn nach den ersten wenigen Worten wechselte ihre Miene von höflichem Desinteresse zu blankem Entsetzen, sie schlug ein Kreuz und ließ mich forteilend dastehen, nachdem sie sich noch knapp des Namens versichert hatte - er lautete Federico Ruggero, Imperatore Federico.

Zu Ravenna gibt es von C.G. Jung in seinen Erinnerungen eine ganz eindrückliche Schilderung, er hatte dort nämlich im Baptisterium der Orthodoxen eine Vision von Mosaiken, die gar nicht existierten. Ausgerechnet auf einer italienischen Seite fand ich eine ganz ordentliche Zusammenfassung der Passage (deutsch natürlich) -

http://www.turismo.ra.it/eng/Storytelling/Literary-City/Modern-and-contemporary-age/Carl-Gustav-Jung

Ach übrigens kann ich ihren Eindruck von den Mosaiken sehr gut nachvollziehen, während mich St. Peter zu Rom eher langweilte, merkwürdig.