Montag, 27. Februar 2012

Dies & Das & Sparta


Wo ich also zerknirscht überlege, ob ich an etwas herantreten sollte, von dem ich dachte, es lange hinter mir gelassen zu haben, ein wenig zur Aufheiterung, der Klassiker: Frau Mutter schaut eine Quizshow, offenkundig war die Herkunft des Wortes „lakonisch“ gefragt, ich murmel was von Sparta und bringe schnell 2 Räume zwischen sie und die Frage. Minuten später höre ich auf dem Rückweg: “Willst du da nich mal hin?”, ich: “Nach Sparta? Ganz bestimmt nicht, außerdem ist das seit über 2000 Jahren vorbei”, sie nee, ich meine zu Jauch, ich: “Nein! Dahin auch nicht!”

„Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade“, (Jona 2,9) lese ich dann später als Tageslosung und finde das, offen gestanden, etwas fies vom lieben Gott, aber ich sollte es vielleicht nicht persönlich nehmen, schließlich muß er seine Antworten breit streuen, bei den unzähligen Häuptern von Lesern.

2000 Jahre ist natürlich ziemlich inkorrekt. Das, was, von Sparta übrig war, haben 395 nach Christus die Goten unter Alarich zerstört, dann gab es noch eine Neugründung 1834. Aber von neugriechischen Trugbildern schweigen wir besser. Nach der Schlacht bei Leuktra 371 v. Chr., die Epaminondas von Theben gewann (der mit der schiefen Schlachtordnung), ging es mit Spartas Macht mehr oder weniger kontinuierlich bergab. Nach der Schlacht bei Sellasia 222 v. Chr. wurde der Ort erstmals besetzt, von den Makedoniern, wir sind mitten in der sogenannten „hellenistischen“ Zeit. Ab 146 v. Chr. sank Sparta zu einer Civitas foederata der römischen Provinz Achaia herab und zu einer Art obskurem Museum, in der etwa die „Knabengeißelung“ zu besichtigen war.

Die gehörte zum Kult der Artemis Orthia und war Bestandteil der Agoge, der Ausbildung der jungen Spartaner. Ein Wettbewerb, Plutarch erzählt davon: Die Epheben wurden während des ganzen Tages mit Peitschen geschlagen beim Altar der Artemis Orthia, häufig fast bis zum Tode. Sie ertrugen dies mutig, freudig und stolz, untereinander darum wetteifernd, wer es länger als die anderen und mit einer größeren Anzahl an Schlägen ertragen könne. Und demjenigen, der siegreich war, kamen besondere Ehren zuteil. Dieser Wettbewerb hieß „Die Geißelung“ und wurde jedes Jahr ausgetragen. Der Ephebe, der den Schlägen am längsten standhält, durfte sich anschließend mit dem Titel Βωμονίκης schmücken, den er sein ganzes Leben lang behielt.

Die alten Griechen haben eine Menge ausprobiert. Sie waren erstaunlich unternehmungslustig, auch im Geistigen, da kommt dann, wenn wir auf der aristokratischen Seite bleiben, ein Heraklit heraus oder eben Sparta, das in meinen Augen eher in den Bereich des Pathologischen gehört.

Nicht regelmäßig, aber von Zeit zu Zeit überprüfe ich meine Vorurteile und lese dann z. B.: Karl – Wilhelm Welwei „Sparta – Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht“. Vollkommen passend zum Thema, eine Tortur. Es ist unglaublich, wie jemand derart uninteressant über etwas schreiben kann, dem er offenkundig beträchtliche Teile seines Lebens gewidmet hat, ausführlichst in Details, ein Herodot-Zitat wird so eine Seite lang hin und her gewendet, um am Ende festzustellen, daß man seinen Wahrheitsgehalt nicht sicher beurteilen könne - das ginge auch in einem Satz - dafür ist man bei den tiefer gehenden Fragen eher sparsam und hastig bei der nächsten Einzelheit. Nun ja, warum grundsätzlich werden, wenn man sich auch in Einzelheiten verlieren kann, und dazu dieser pedantische Stolz, ja nichts Unterhaltsames auszubreiten.

Und dann dieser goldige Rationalismus: Die Leute hatten noch keinen Begriff von der Sache, also kann es sie auch nicht gegeben haben. Oder besser, ein anderer ebenfalls (u.a.) von Plutarch überlieferter abartiger Brauch hätte den wirtschaftlichen Interessen der Spartaner geschadet und könne daher so nicht stimmen. Ach? Tatsächlich? Wo doch der Mensch überwiegend ein rationales Wesen ist.

Plutarch spricht über einen „Brauch“, der an den „Heloten“ ausgeübt wurde. Die Spartaner oder „Lakedaimonier“ gehören zu einer Volksgruppe, die als „Dorer“ bekannt ist (darf man sich analog zu den Vandalen in Nordafrika vorstellen). Jedenfalls kamen diese Lakedaimonier auf die grandiose Idee, die einheimische Bevölkerung kollektiv zu versklaven, als „Heloten“ hatten sie für die Spartiaten das Land zu bestellen und Abgaben zu liefern. Jeder Vollbürger Spartas hatte Anspruch auf ein Stück Land mit den dazugehörigen Heloten. Als es etwas pressierte, unterwarf man schlicht die Nachbarprovinz Messenien und machte deren Einwohner nahezu komplett zu „Heloten“, Staatssklaven also. Warum dies, nun den Spartiaten war jede Erwerbstätigkeit streng verboten, sie hatten - zu kämpfen.

Und jetzt Plutarch: Die „Krypteia“. Junge Spartaner wurden, dürftig ausgerüstet, ausgeschickt, um mit wenigem zu überleben. Sie besaßen aber u.a das Recht, unterwegs die Heloten zu töten, die ihnen als die tapfersten erschienen.

Und wofür genau genommen, haben die Spartaner nun gekämpft, für Sparta, einen eher dürftig anzuschauenden Ort ohne nennenswerte Kultur, voll vielbeschworener Gleichheit und einem Kult von Tapferkeit um ihrer selbst willen. Eine starke hohle Form. Nicht daß uns die Demokraten aus Attika mehr gefallen würden.

So man man einen Überblick über diese frühen Spielformen menschlicher Erfindung gewinnen will, lese man Thukydides „Der Peloponnesische Krieg“ und erfahre, wie die Einwohnerschaft ganzer Städte ausgelöscht wurde, wenn sie auf der falschen Seite stand, doch dieses Kapitel kann ich nicht vorenthalten:

„Zu so wilder Grausamkeit trieb der Parteienkampf, und er erschien um so gräßlicher, als es der erste Fall dieser Art war. Später jedoch geriet sozusagen ganz Hellas in Bewegung; denn überall herrschte Streit, und die Führer der Demokraten bemühten sich, die Athener herbeizurufen, die Adligen die Lakedaimonier...

Der Krieg aber, der die Annehmlichkeiten des täglichen Unterhalts raubt, ist ein grausamer Lehrer und stimmt die Leidenschaften der Menge dem gegenwärtigen Augenblick gleich...

Auch änderten sie die gewohnten Bezeichnungen für die Dinge nach Gutdünken. Unüberlegte Tollkühnheit galt als treu ergebene Tapferkeit, vorausdenkendes Zögern für behübschte Feigheit, Besonnenheit als verhüllte Ängstlichkeit, bedenkende Klugheit als alles lähmende Trägheit, Draufgängertum beschrieb den rechten Mann, vorsichtig wägendes Beraten wurde als schön klingender Vorwand der Ablehnung gesehen.

Wer sich empörte, galt immer als zuverlässig, wer ihm widersprach, als eben deshalb verdächtig. Hatte einer mit einem Anschlag Erfolg, galt er als klug, noch geschickter, wenn er einen entdeckte; wer aber Vorsorge traf, dass nichts davon nötig sei, von dem hieß es, er zerstöre das Bündnis und zittere vor den Feinden.

Wer mit bösem Tun dem zuvorkam, der ihm womöglich Böses anzutun beabsichtigte, wurde gelobt, und noch mehr, wenn er einen anderen, der gar nicht daran dachte, dazu bewegte... Denn solche Vereinigungen bezweckten nicht gegenseitigen Beistand im Einklang mit den gültigen Gesetzen, sondern gegen die bestehende Ordnung aus Eigennutz. Gegenseitiges Vertrauen erwuchs kaum aus göttlichem Recht, sondern aus gemeinsam verübten Unrecht...

Ferner stand es höher in Ehre, Rache an jemand zu üben, als selber nicht zuerst zu leiden... Denn lieber lassen sich die meisten gescheite Verbrecher nennen als einfältig und ehrenhaft; des letzteren schämen sie sich, das erste dagegen beeindruckt sie über sich selbst.

An all dem ist die Herrschsucht schuld, die sich in Habgier und Ehrgeiz äußert, und daraus erwächst dann, wenn erst der Hader hinzutritt, wilde Leidenschaft.“ 3. Buch, 82. Kapitel

nachgetragen am 4. März

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