Sonntag, 2. Februar 2014

Mariä Lichtmeß

Guido Reni, "Die Purifikation der Jungfrau"

Ich habe es immer einen schönen Gedanken gefunden, die Epiphaniaszeit mit dem Fest Mariä Lichtmeß am 2. Februar abzuschließen (auch bekannt unter dem Namen „Darstellung des Herrn“ oder „Mariä Reinigung“). Die evangelische Kirche rechnet eher vom Ostertermin rückwärts und beendet die Weihnachtszeit mit dem Letzten Sonntag nach Epiphanias (der deutlich vor oder nach diesem Datum liegen kann).

In jedem Fall ändert sich in diesen Tagen der Charakter des Kirchenjahres, oder um Herrn Roloff zu zitieren, dessen Predigt zu diesem Tag wir nachfolgend bringen werden: „So wird unser Blick und der der ganzen Kirche vom heutigen Tag an langsam vom Holz der Krippe wieder auf das Holz des Kreuzes gerichtet, an dem das Heil der Welt vollbracht worden ist.“

Darbringung Christi, byzantinisch

Predigt Mariä Lichtmess

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

14 Nachdem nun die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er dessen gleichermaßen teilhaftig geworden, auf daß er durch den Tod die Macht nehme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, 15 und erlöste die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten. 16 Denn er nimmt sich ja nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt er sich an. 17 Daher mußte er in allen Dingen seinen Brüdern gleich werden, auf daß er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu versöhnen die Sünden des Volks. 18 Denn worin er gelitten hat und versucht ist, kann er helfen denen, die versucht werden. 
Heb 2, 14-18

Liebe Gemeinde,

noch einmal klingt das eigentliche weihnachtliche Thema in seiner ganzen Fülle und Wunderbarkeit auf – Gott hat unser Fleisch angenommen – incarnatus est! Gott ist wahrhaftig Mensch geworden. Darin hat er vollendet, was er mit der Schöpfung aller Dinge aus dem Nichts begonnen hat. Waren wir Menschen zuvor Geschöpfe seiner Allmacht, so wurden wir durch das Wunder der Weihnacht Geschwister seines Sohnes und dadurch Gebilde seiner Liebe.

Das Verhältnis Gottes zu seinen Menschen hat sich gewandelt. Standen wir zuvor in dem Verhältnis eines Werkes zu seinem Meister, so sind wir nun in einer Liebesbeziehung wie zwischen einem Vater und seinen Kindern, denn als Geschwister Jesu sind wir ja seine Kinder.

Gott hat sich seinem Werk und dem Menschen ganz und gar und unwiderruflich verbunden. Er hat den Menschen gleichsam in seine eigene Allmacht und Ewigkeit und seine Lebendigkeit eingeschlossen. Er kam in die Welt, um uns seine göttliche Wirklichkeit zu eröffnen.

Das alles hat er getan, um, wie es der Autor des Hebräerbriefes beschreibt, dem, der des Todes Gewalt hatte, die Macht zu nehmen. Gott kam selbst in die Welt, um dem Teufel seine Macht zu nehmen.

Der moderne Mensch hat aus dem Teufel so eine Art Nachtgespenst gemacht, um ihn nicht mehr recht fürchten zu müssen. Unsere Überzeugung aber bleibt es, dass durch ihn eine tatsächliche Gewalt benannt ist, die in der Welt wirkt und deren Absichten Goethe tief ahnend in seinem Faust beschreibt:

Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz, das Böse nennt, Mein eigentliches Element. 

Am Ende scheint er dann fast so etwas wie Mitleid zu empfinden, als er die Ganze Vergeblichkeit der faustischen Bemühungen rekapituliert:

Was soll uns denn das ew’ge Schaffen! Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen! »Da ist’s vorbei!« Was ist daran zu lesen? Es ist so gut, als wär es nicht gewesen, Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre. Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.

Hier wird die ungeheuerliche Gefahr ausgesprochen, dass alles durch eine vollständige Leere bedroht ist. Der Untergang von allem ist denkbar und durch den Tod in der Welt auch stets gegenwärtig. Der Teufel ist somit auch eine immer reale Macht, die auch schon in unseren menschlichen Verzweiflungen und Hoffnungslosigkeiten spürbar wird. Dort, wo wir unser Vertrauen verlieren, keine Zuversicht mehr finden, da sind wir auch immer seiner finsteren Gewalt ausgesetzt.

Bis in den religiösen Zusammenhang zwischen Licht und Finsternis hinein hat Goethe empfunden und meisterlich ausgedrückt, was sich da am Anfang der Welt ereignet hat, wenn er Mephisto sprechen lässt:

Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, 
so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.

Der Hebräerbrief ist diesen Gedankengängen ganz nahe, denn dort wird mehr noch als der Sieg über den Tod die Befreiung von der Angst vor dem Tod gerühmt. Diese Furcht vor dem Tod überschattet und vergiftet dem Menschen das Leben. Sie lässt ihn überall Untergang und Zerfall erwarten und lässt jede Hoffnung zur Illusion werden. Wer darum als Mensch den Glauben an Gott verliert, der beginnt im selben Augenblick zu sterben. Er gibt willentlich das Leben auf und beginnt mit Mephisto nur noch das Ewig-Leere zu erwarten.

Was ich aber erwarte, das befördere ich auch immer. Wir Menschen leben aus unseren Hoffnungen heraus, die zum Glauben wachsen, oder eben aus unseren Zweifeln, die uns in die Verzweiflung führen.

Ich weiß sehr gut, wie schwer es manchmal sein kann, diese Zusammenhänge nicht nur herzusagen, sondern sie auch jeden Tag zu leben. In uns Menschen lebt und wirkt eben immer beides, die Hoffnung und der Zweifel. Entscheidend ist es eben nur, dass wir uns in jeder Situation wieder der Hoffnung zuwenden, denn es sind hier nicht himmlische Dinge beschrieben, die nur den Engeln widerfahren, sondern Gott hat in Wahrheit uns Menschen in unserer Geschichte erwählt und erlöst.

Natürlich bleibt dennoch zunächst scheinbar die Frage unbeantwortet, warum uns dann überhaupt noch Leid, Schmerz, Krankheit, Armut und Elend begegnen. An diesen Fragen entzünden sich dann auch immer wieder geradezu stereotyp der Zweifel und letztlich auch der Unglaube.

Louis Édouard Fournier, "Darstellung im Tempel" 
Lourdes, Rosenkranz-Basilika

Als Christen aber finden wir unsere Hoffnung schlicht darin, dass unser Herr mit uns leidet und auch den Tod selbst nicht scheut. Hier wird unser Blick nun auf die Mutter Jesu gelenkt. Sie hat uns ein Beispiel der Glaubenstreue gegeben, wie es kein anderes gibt. Dieses Beispiel ist so durchdringend und einzigartig, weil es durch die sieben Schmerzen geprägt ist, die Maria demütig und in Hingabe an ihren Sohn ertrug. Die Mater Dolorosa wurde dafür in der Kunst die entsprechende Ausdrucksform und als Stabat Mater – Christi Mutter stand mit Schmerzen – wurde es vielfach vertont. Sieben Schmerzen zählen die Gläubigen aller Zeiten, um die Vollständigkeit des Mitleidens zu betonen.

Die Flucht nach Ägypten vor dem Kindermörder Herodes gehört dazu und der Verlust des zwölfjährigen Jesus im Tempel, die Begegnung des Verurteilten mit seiner Mutter auf dem Kreuzweg, die Kreuzigung selbst und das Sterben des Herrn gehören dazu, wie endlich auch die Abnahme vom Kreuz und die Beweinung und dann die Grablegung des Leichnams. Der erste der sieben Schmerzen Marias aber liegt bereits in der Verheißung des Simeons, dass ein Schwert ihre Seele durchdringen werde. An diese Verheißung vor allem erinnert das Fest Mariä Lichtmess.

So wird unser Blick und der der ganzen Kirche vom heutigen Tag an langsam vom Holz der Krippe wieder auf das Holz des Kreuzes gerichtet, an dem das Heil der Welt vollbracht worden ist. Dort hat Christus uns als Gott und Mensch den priesterlichen Dienst geleistet, der uns tatsächlich und für immer zu Erlösten seines ewigen Reiches macht. Gottes Reich ist so wahrhaftig in die Welt hineingebrochen und hat sie erneuert und geheiligt.

Durch unseren Glauben allein sind und bleiben wir ein Teil dieser Welt. Der Glaube ist das ganz und gar geistige Band, welches uns mit dem in Verbindung bringt, der sagen konnte: „Ehe denn  Abraham ward, bin ich.“ Wenn wir in diesem Glauben einmal schwach und wankend werden sollten, dann wollen wir voll Vertrauen auf das Beispiel schauen, das seine Mutter Maria uns gegeben hat.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.

Amen
Thomas Roloff

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