Mittwoch, 24. November 2010

Bismarck - Florilegium

Nur ein Wort zu dem Beitrag vom Montag, das hat in einigen Fällen wohl zu heftigen Attacken von Fremdschämen geführt, ich denke, ich werde es so nicht lange stehenlassen, wie auch immer.

Ein Bekannter hat mich kürzlich mit der Frage konfrontiert, ob ich ihm nicht ein passables Bismarck-Zitat liefern könne, entweder über die deutsche Einheit oder die Jagd, warum die Jagd? Nun er wolle in seinem neuen Jagdhaus ein Bleiglasfenster mit dem Porträt des Fürsten Bismarck einsetzen lassen und brauche noch etwas Passendes dazu, nun ja. Den Gefallen habe ich ihm getan, bei der Gelegenheit habe ich aber beim Nachlesen von Äußerungen des Reichskanzlers erneut festgestellt, wieviel Originelles doch bei ihm zu finden ist. Nachfolgend darum also eine kleine Auswahl dessen, was mir dabei über den Weg lief. Übrigens nur kurz eine Bemerkung zu den Nachfahren des Fürsten Bismarck: Nach dem, was man gerade aus den Zeitungen erfährt, scheint das Niveau der Konversation im Hause dort inzwischen doch beträchtlich nachgelassen zu haben.

„Als normales Produkt unsres staatlichen Unterrichts verließ ich Ostern 1832 die Schule, das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Überzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei, und mit Nachdenken über die Ursachen, welche Millionen von Menschen bestimmen könnten, Einem dauernd zu gehorchen, während ich von Erwachsenen manche bittre oder geringschätzige Kritik über die Herrscher hören konnte. Dazu hatte ich von der turnerischen Vorschule mit Jahn'schen Traditionen (Plamann), in der ich vom sechsten bis zum zwölften Jahre gelebt, deutsch-nationale Eindrücke mitgebracht. Diese blieben im Stadium theoretischer Betrachtungen und waren nicht stark genug, um angeborne preußisch-monarchische Gefühle auszutilgen. Meine geschichtlichen Sympathien blieben auf Seiten der Autorität. Harmodius und Aristogiton sowohl wie Brutus waren für mein kindliches Rechtsgefühl Verbrecher und Tell ein Rebell und Mörder. Jeder deutsche Fürst, der vor dem 30jährigen Kriege dem Kaiser widerstrebte, ärgerte mich; vom Großen Kurfürsten an aber war ich parteiisch genug, antikaiserlich zu urtheilen und natürlich zu finden, daß der siebenjährige Krieg sich vorbereitete. Doch blieb mein deutsches Nationalgefühl so stark, daß ich im Anfang der Universitätszeit zunächst zur Burschenschaft in Beziehung geriet, welche die Pflege des nationalen Gefühls als ihren Zweck bezeichnete. Aber bei persönlicher Bekanntschaft mit ihren Mitgliedern mißfielen mir ihre Weigerung, Satisfaction zu geben, und ihr Mangel an äußerlicher Erziehung und an Formen der guten Gesellschaft, bei näherer Bekanntschaft auch die Extravaganz ihrer politischen Auffassungen, die auf einem Mangel an Bildung und an Kenntnis der vorhandnen, historisch gewordnen Lebensverhältnisse beruhte, von denen ich bei meinen siebzehn Jahren mehr zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte als die meisten jener durchschnittlich ältern Studenten. Ich hatte den Eindruck einer Verbindung von Utopie und Mangel an Erziehung. Gleichwohl bewahrte ich innerlich meine nationalen Empfindungen und den Glauben, daß die Entwicklung der nächsten Zukunft uns zur deutschen Einheit führen werde; ich ging mit meinem amerikanischen Freunde Coffin die Wette darauf ein, daß dieses Ziel in zwanzig Jahren erreicht sein werde.“
aus „Gedanken und Erinnerungen“, Band 1

„Willst du diesen Brief in derselben Stimmung lesen, in welcher er geschrieben ist, so trinke erst 1 Fl. Madera … Später fanden sehr unangenehme Szenen zwischen mir und meinen Alten statt, der sich weigert, meine Schulden zu bezahlen; dies versetzt mich in eine etwas menschenfeindliche Stimmung…“
an Gustav Scharlach 14. November 1833

„Ich … erzürnte mich 14 Tage nachher mit der Mutter meiner Braut , einer Frau, die, um ihr Gerechtigkeit zu tun, eine der bösesten ist, die ich kenne, und die das Bedürfnis hat, noch selbst der Gegenstand zärtlicher Blicke zu sein.“
an Gustav Scharlach 9. Januar 1845

„Heute früh kaum gefrühstückt, ... Portugal, Rußland, Frankreich..., dessen Botschafter ich darauf aufmerksam machen mußte, daß es für mich Zeit sei, in das Haus der Phrasen zu gehn. In diesem sitze ich nun wieder, höre die Leute Unsinn reden und beendige meinen Brief, die Leute sind sich alle darüber einig, unsre Verträge with Belgien gutzuheißen, und doch sprechen 20 Redner, schelten einander mit der größten Heftigkeit, als ob jeder den andern umbringen wollte; sie sind über die Motive nicht einig, aus denen sie übereinstimmen, darum der Zank; echt deutsch leider...“
an John Lothrop Motley, 17. April 1863

„Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“

„Setzen wir Deutschland, sozusagen, in den Sattel! Reiten wird es schon können.“
11. März 1867 im Reichstag des Norddeutschen Bundes

„Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten Kaiser des Morgens aufsuchen mußte, um über eine höfische Demonstration zu Gunsten des Centrums eine unter den obwaltenden Umständen dringliche Beschwerde zu führen, fand ich ihn im Bette und neben ihm die Kaiserin in einer Toilette, die darauf schließen ließ, daß sie erst auf meine Anmeldung herunter gekommen war… An dem Abende desselben Tags war ich in einer Gesellschaft im Palais. Ihre Majestät redete mich in einer Weise an, die mich vermuthen ließ, daß der Kaiser meine Beschwerde ihr gegenüber vertreten hatte. Die Unterhaltung nahm die Wendung, daß ich die Kaiserin bat, die schon bedenkliche Gesundheit ihres Gemahls zu schonen und ihn nicht zwiespältigen politischen Einwirkungen auszusetzen. Diese nach höfischen Traditionen unerwartete Andeutung hatte einen merkwürdigen Effect. Ich habe die Kaiserin Augusta in dem letzten Jahrzehnt ihres Lebens nie so schön gesehn wie in diesem Augenblicke; ihre Haltung richtete sich auf, ihr Auge belebte sich zu einem Feuer, wie ich es weder vorher noch nachher erlebt habe. Sie brach ab, ließ mich stehn und hat, wie ich von einem befreundeten Hofmanne erfuhr, gesagt: »Unser allergnädigster Reichskanzler ist heut sehr ungnädig.«“
aus dem 2. Band seiner Erinnerungen

„Das preußische Königtum hat seine Mission noch nicht erfüllt, es ist noch nicht reif dazu, einen rein ornamentalen Schmuck Ihres Verfassungsgebäudes zu bilden, noch nicht reif, als ein toter Maschinenteil dem Mechanismus des parlamentarischen Regiments eingefügt zu werden.“
Bismarck im Preußischen Abgeordnetenhaus, 27. Januar 1863

Nach allem Großen, was wir erlebt, würde er nichts dagegen haben, wenn die Weltgeschichte eine Weile stehenzubleiben schiene.
anläßl. der Überreichung des Berliner Ehrenbürger-Briefes,
9. Sept. 1872

„Ich bin als Junker geboren, aber meine Politik war keine Junkerpolitik. Ich bin Royalist in erster Linie, dann ein Preuße und ein Deutscher. Ich will meinen König, das Königtum verteidigen gegen die Revolution, die offene und die schleichende, und ich will ein gesundes, starkes Deutschland herstellen und hinterlassen. Die Parteien sind mir gleichgültig.“
im Gespräch mit Moritz Busch, 16. November 1881

„Wenn es keine Sozialdemokratie gäbe, und wenn nicht die Menge Leute sich vor ihr fürchteten, würden die mäßigen Fortschritte, die wir überhaupt in der Sozialreform bisher gemacht haben, auch nicht existieren (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), und insofern ist die Furcht vor der Sozialdemokratie in bezug auf denjenigen, der sonst kein Herz für seine armen Mitbürger hat, ein ganz nützliches Element (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Ja sehen Sie, in etwas sind wir doch einverstanden."
Bismarck im Reichstag, 26. November 1884

"Man kann Geschichte überhaupt nicht machen, aber man kann immer aus ihr lernen, wie man das politische Leben eines großen Volkes seiner Entwicklung und seiner historischen Bestimmung entsprechend zu leiten hat… Ich bin von früh auf Jäger und Fischer gewesen, und das Abwarten des rechten Moments ist in beiden Situationen die Regel gewesen, die ich auf die Politik übertragen habe… die Politik ist eben an sich keine logische und keine exakte Wissenschaft, sondern sie ist die Fähigkeit, in jedem wechselnden Moment der Situation das am wenigsten Schädliche oder das Zweckmäßigste zu wählen.“
Ansprache an eine Abordnung der Universität Jena, 30. Juli 1892

„Also positive Unternehmungen in der Politik sind außerordentlich schwer, und wenn sie gelingen, so soll man Gott danken, daß er seinen Segen dazu gegeben hat, und nicht herummäkeln an Kleinigkeiten, die diesem oder jenem fehlen, sondern die Situation akzeptieren, so wie Gott sie macht. Denn der Mensch kann den Strom der Zeit nicht schaffen und nicht lenken, er kann nur darauf hinfahren und steuern, mit mehr oder weniger Erfahrung und Geschick, kann Schiffbruch leiden und stranden und auch zu guten Häfen kommen.“
Ansprache an Studenten, 1. April 1895

"Für mich hat immer nur ein einziger Kompaß, ein Polarstern, nach dem ich steuere, bestanden: Salus publica!"
24. 02. 1881 im Reichstag

„Gehen Sie von der Garonne, um mit der Gascogne anzufangen, bis zur Weichsel, vom Belt bis zum Tiber, suchen Sie an den heimischen Strömen der Oder und des Rheins umher, so werden Sie finden, daß ich in diesem Augenblicke wohl die am stärksten und - ich behaupte stolz! - die am besten gehaßte Persönlichkeit in diesem Lande bin.“
16. 1. 1874 im preußischen Abgeordnetenhaus

„‘Pfui!‘ ist ein Ausdruck des Ekels und der Verachtung. Meine Herren, glauben Sie nicht, daß mir diese Gefühle fernliegen; ich bin nur zu höflich, um sie auszusprechen.“
im Reichstag am 4. Dezember 1874

"Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns Gemeingut, aber sie werden nicht selten finden, daß es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“
Bismarck zu Keudell über die Landtagssitzung vom 17. Mai 1847

„Nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig!“
14. Mai 1872 im Reichstag

"Jemand, der mit großem Geistesreichtum, wie der Herr Vorredner, begabt ist, darf sich wohl den Luxus erlauben, daß er jedesmal eine Meinung streng für sich hat und nicht duldet, daß sie von einem anderen geteilt wird."
17. 12. 1873 zu Gerlach im Abgeordnetenhaus

„quieta non movere“
14. April 1891

„Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“
Wilhelm I.

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