Dienstag, 16. November 2010

Über einen lebensfrohen Preußen


Marmorpalais Potsdam

Ich hätte schwören können, schon einmal etwas über unseren "dicken Lüderjahn", mit anderen Worten König Friedrich Wilhelm II. von Preußen geschrieben zu haben. Ich kann aber nichts dergleichen finden, vielleicht wieder einer dieser steckengebliebenen Entwürfe. Wie auch immer. Nur ein paar, inzwischen verspätete Bemerkungen, aber da er am 16. November 1797 in Potsdam starb, sollte ich ihn wohl nicht ganz übergehen. Es ist kurios, wie oft bei den Hohenzollern der Nachfolger das extreme Gegenteil seines Vorgängers ist. So auch Friedrich Wilhelm, der Neffe des kinderlosen Friedrich des Großen.

War letzerer bei aller zeitweiligen Beliebtheit äußerst distanziert, dazu sittenstreng und nicht gerade für Affären in der Damenwelt bekannt, so war der Neffe das exakte Gegenteil, was ihm den bekannten nachteiligen Ruf einbrachte. Sein Sohn, der spätere Friedrich Wilhelm III und Gatte unserer Königin Luise suchte sich davon wiederum abzuheben. Wie ich schon sagte, eine kuriose Auffälligkeit bei den Hohenzollern.

Friedrich II. mochte den Thronfolger am Ende nicht besonderes. Und leider muß man zugeben, daß er dafür ein paar gute Gründe hatte. Dessen Neigungen zu Mätressen und wechselhaften Liebschaften mag man dabei eher beiseite lassen. Aber sein Widerwille gegen die Staatsgeschäfte war so auffällig wie eine ausgeprägte Neigung zu Vergnügungen, und um eine Andeutung über die Urteilskraft zu machen, soll ein Zitat Friedrichs genügen, wonach sein Neffe „niemals lernte, Ordnung und Folge in seine Reden zu bringen und sich stets in einer Art ausdrückte, die etwas Unzusammenhängendes blieb, so daß ihm daher die am liebsten waren, die am leichtesten den Sinn seiner Worte verstanden“.

Wilhelmine Encke, seit 1794 Gräfin von Lichtenau
hier gefunden

Seine Mätressen, die bekannteste war Wihelmine Encke, die spätere Gräfin Lichtenau, übten wohl weniger politischen Einfluß auf ihn aus, als oft angenommen wurde. Dafür taten andere, oft obskure Gestalten dies um so mehr, wie etwa Wöllner und Bischoffwerder vom okkulten Orden der Rosenkreuzer.

Bei Regierungsantritt 1786 war Friedrich Wilhelm II. zunächst durchaus populär, vielleicht auch seiner leutseligen Art wegen. Das Regieren überließ er eher anderen, das mag mitunter eine weise Entscheidung sein, wenn jemand realistische Ansichten über seine eigenen Fähigkeiten hat und nach einem sucht, der das Erforderliche in Angriff nehmen könne. Eine Gestalt wie Christoph von Wöllner mag mit seinem unklaren Reformdrang auch den Eindruck erweckt haben, ein solcher Mann zu sein, aber er hatte eben nicht das Format eines Hardenberg. Ein recht treffender Artikel endet zu diesem mit dem Urteil: „das Regiment des unglücklichen Friedrich Wilhelm II. löste fast nur die schlimmen und verderblichen Eigenschaften seines seltsam gemischten Wesens aus. Seine Persönlichkeit und sein Wirken waren möglich und sind verständlich nur in der Zeit des wüsten Durcheinanders von Unglaube und Aberglaube, in der allgemeinen Zersetzung vor der großen Umwälzung“.

Friedrich Wilhelm II. hat vieles wohl mehr geahnt und unsicher gewollt als klar vorangetrieben, er war vermutlich kein oberflächlicher Mensch. Während Friedrich II. die Religion soweit interessierte, wie sie dem Staate diente, war seinem Nachfolger das Christentum eine ernste Angelegenheit, so sehr das überraschen mag. Und er spürte, daß die zu seiner Zeit in Mode gekommene rationalistische Schrumpfform desselben eher eine Gefahr als einen Fortschritt für den Glauben darstellte. Er erließ harte Verfügungen dagegen, um „in seinen Staaten ein rechtschaffenes thätiges Christenthum als den Weg zur wahren Gottesfurcht aufrecht zu erhalten“. Nur läßt sich Autorität in Glaubensfragen schwerlich durch königliche Verordnungen erreichen, zumal wenn man etwa gegen einen Kant zu bestehen hat.

Im Grunde bestand unter Friedrich Wilhelm der Staat Friedrichs des Großen mit überwiegend dem gleichen Personal einfach fort, mit anderen Worten, er verknöcherte und erstarrte, denn Menschen werden nun einmal älter und die Dinge ändern sich ständig, und gerade in dieser Zeit änderten sie sich mächtig. So stand am Ende seiner Regierungszeit zwar Preußen äußerlich sehr eindrucksvoll da, als Nutznießer der polnischen Teilungen hatte sich sein Staatsgebiet um über ein Drittel vergrößert, aber der Gefahr aus dem Westen würde man bald nicht viel entgegenzusetzen haben. Der Frieden von Basel vom 5. April 1795 gab nicht mehr als eine Galgenfrist. Also, was bleibt von ihm, nun, gar nicht so wenig:

Etwa das Brandenburger Tor in Berlin oder das Marmorpalais in Potsdam, es ließe sich noch einiges aufzählen. Friedrich Wilhelm II. war ein großer Förderer der Künste - der Architektur, der Bildhauerei, der Musik, des Theaters - und er hatte hier eine Sicherheit des Urteils, die anderswo leider ausblieb. Männer wie Erdmannsdorff, Langhans, Schadow oder Gilly sind von ihm in verantwortliche Positionen gebracht worden oder haben bedeutende Aufträge erhalten und sie haben gemeinsam etwas geschaffen, das man später den preußischen Klassizismus genannt hat. Vielleicht ist das letzte Wort über diesen lebensfrohen und kunstsinnigen Herrscher daher dann doch noch nicht wirklich gesprochen.

Johann Gottfried Schadow
Grabmal des Prinzen Alexander von der Mark
hier gefunden

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