Dienstag, 5. August 2014

William Blake: The Tyger


Choir New College Oxford - Tavener - The Tyger

William Blake

The Tyger

Tyger Tyger, burning bright,
In the forests of the night;
What immortal hand or eye,
Could frame thy fearful symmetry?

In what distant deeps or skies
Burnt the fire of thine eyes?
On what wings dare he aspire?
What the hand, dare sieze the fire?

And what shoulder & what art,
Could twist the sinews of thy heart?
And when thy heart began to beat,
What dread hand? & what dread feet?

What the hammer? What the chain,
In what furnace was thy brain?
What the anvil? What dread grasp,
Dare its deadly terrors clasp!

When the stars threw down their spears
And water'd heaven with their tears:
Did he smile his work to see?
Did he who made the Lamb make thee?

Tyger Tyger, burning bright,
In the forests of the night;
What immortal hand or eye,
Dare frame thy fearful symmetry?


"The Tyger" von William Blake

William Blake:

Der Tiger

Tiger, Tiger, Feuerspracht
in der Dschungeln dunkler Nacht:
Welches Aug', welch' ew'ge Hand
formten Deiner Schrecken Brand?

In welch' Himmeln ungeheuer
brannte Deiner Augen Feuer?
Wessen Flügel, wessen Hand
wagte sich an diesen Brand?

Welcher Schulter Können wand
Deines Herzens Sehnenstrang?
Wer, als Herzens Schlag begann,
furchtbar Hand und Fuß ersann?

Welche Kett' und Hammer fand
in welch' Esse den Verstand?
Welcher Amboß, welche Welt
Deine Todesschrecken hält?

Als der Sterne Speer herab
Tränen unserm Himmel gab:
Hat vollbracht er's und bedacht,
daß er Lamm und Dich gemacht?

Tiger, Tiger, Feuerspracht
in der Dschungeln dunkler Nacht:
Welches Auge, welche Hand
wagten Deines Schreckens Brand?


Dieses Gedicht von William Blake ist derart bekannt im englischen Sprachraum, daß man wohl eigentlich besser daran täte, gar nichts dazu zu sagen. Wir wollen es auch nur bei ein paar Anmerkungen belassen. Dieses nur auf den ersten Blick einfache Gedicht legt so sehr Metapher auf Metapher, daß man sich bald fragt, ob es tatsächlich um den Tiger als solchen geht, das überwältigte Staunen angesichts seiner verstörenden Erscheinung oder nicht eher um die Schönheit des Schreckens überhaupt, die Zwiespältigkeit der Schöpfung, die Natur des Schöpfers oder die Natur des Menschen, z.B.

Obwohl am Anfang wohl ein ähnlich "reales" Erlebnis stand wie bei Rilkes ermüdetem „Panther“ aus dem Jardin des Plantes, hält sich Blake nicht mit derartiger menschlicher Einfühlung auf. Er hält sich den Schrecken des Tigers gewissermaßen mit seinen Fragen auf Abstand. Und nicht nur das, sein ganzes Gedicht ist ein Pfeilhagel aus Fragen, die am Tiger vorbei auf den zielen, der dieses Geschöpf ins Leben rief. Ist es derselbe, der das „Lamm“ schuf (sprich Christus)? „Did he who made the Lamb make thee?“.

Diese Abfolge von Metaphern und Fragen macht sein Gedicht merkwürdig un(an)greifbar und zugleich un-statisch, ruhelos, offen, auch offen für verschiedenste empathische Versuchungen natürlich.

Ist die zwiespältige Schöpfung, die Welt, in der wir leben, gemischt aus Grausamkeit und Schönheit, wirklich das Werk desselben Schöpfers, und wenn ja, was trieb ihn dazu? Ist es das vorbewußte Böse, das uns im Tiger entgegentritt? Existiert im Lebendigen gar kein Gut oder Böse? Aber sie ist doch eine geschaffene Natur, zu welchem Zweck dann?

Und wenn all dies nur das Vorspiel zur endgültigen Schöpfung wäre, der Ort der Bewährung sozusagen? „Die Natur lehrt uns nicht das Leben des Geistes, sie lehrt uns einzig das Leben der Natur“. Für den Menschen jedenfalls ist seine wahre Natur, den geistigen Kampf zu leben, um zurück nach Eden zu finden, erfahren wir bei Blake. Doch was, wenn dieses Vorläufige einer vollkommenen Schöpfung nun aber das interessantere wäre?

Sind das die Fragen und Träume eines beredten Gnostikers, die uns hier in den Bann ziehen, oder erschrecken wir uns gerade vor uns selbst. Wer weiß das schon.

1 Kommentar:

Walter A. Aue hat gesagt…

Sehr, sehr interessant, Ihre Wanderung durch den dunklen Dschungel des Menschseins.

Nicht, dass ich dieses geniale Gedicht voll verstuende, aber ich wuerde zustimmen, dass der Tiger "das Vorspiel zur endgueltigen Schoepfung" darstellt. Lasst uns nur hoffen, dass sie noch rechtzeitig eintrifft.

"Sind das die Fragen und Träume eines beredten Gnostikers, die uns hier in den Bann ziehen, oder erschrecken wir uns gerade vor uns selbst"?

Ich glaube, beides. Blake zieht uns in seinen Bann (und nicht nur in diesem Gedicht), WEIL wir vor uns selber erschrecken.