Samstag, 6. April 2013

Über Geibel und die Umwege des Ruhms


John William Waterhouse: „Gone, But Not Forgotten“, 1873

Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen.

aus Emanuel Geibel: „Deutschlands Beruf“, 1861

Emanuel Geibel (gestorben am 6. April 1884 in Lübeck) hat mit seiner länger zurückliegenden Popularität immer noch Spuren hinterlassen, die meist kaum bewußt sind. Aus dem obigen Gedicht geistert der Schluß als schauerliches Zitatengespenst allzu oft durch die zeitgenössische Phrasenlandschaft (es ist im Ganzen nicht uninteressant, wie man hier nachlesen kann), aber sein Patriotismus ist in der Tat heute ziemlich aus der Zeit gefallen. Seine romantische Seite lebt bisweilen untergründig bekannt weiter („Der Mai ist gekommen“).

Herr Prof. Aue hat ihn übersetzt, und darum wollen wir ihn dann doch erwähnen, das Gedicht folgt im Anschluß. Vorher muß ich aber noch kurz erklären, warum dort oben ein Bild von John William Waterhouse auftaucht. Nun, er wurde am 6. April 1849 geboren und mir fiel ein, daß ich einmal etwas zu ihm geschrieben hatte, da ich ihn tatsächlich schätze. Übrigens scheint die Beschäftigung mit ihm etwas ungesund zu sein, die ersten beiden dort in meinem Beitrag erwähnten Links sind bereits dahingeschieden, nun ja. So gerät sogar dieses symbolisch, irgendwie.


Emanuel Geibel

Gute Stunde

Wie ward es tief in mir so stille!
Der Tage Wandeln rührt mich kaum.
Der Lärm der Zeit, der Menschen Wille
Geht mir vorüber wie ein Traum.
Doch drinnen ist es warm und helle,
Es lauscht die Seele ungestört
In sich hinein, daß sie die Welle
Des eignen Wohllauts fluten hört.

Als wie aus Flammen neu geboren,
So spielt das Herz mir frisch und rein:
Vergessen ist, was ich verloren,
Und, was ich liebte, dennoch mein.
Es hat der Jugend süß Gedenken
Sich wie ein Himmel aufgetan;
Und schön mit seiner Huld Geschenken
Erscheint der Gott und rührt mich an.


Emanuel Geibel

Blessed Hour

How silent is it now inside me!
The passing days forgotten seem.
When timelines scream and people chide me,
they slip by silent like a dream.
But inside's warmth is bright inviting:
my soul is list'ning undisturbed
unto itself, where my enlighting
own harmonies of sound are heard.

As if the flames had just released me,
my heart is pure and fresh its tone:
Forgotten is what once had seized me,
but what I loved is still my own.
The memory of youthful hours
has opened heavens wide and free;
and fair amidst His grace's flowers
the God appears and touches me.

nachgetragen am  8. April

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