Samstag, 2. Januar 2010

Friedrich Wilhelm IV. - Über das Träumen von Königen


Neue Orangerie, Potsdam
Photograph: Florian Lindner, hier gefunden
Nach Entenbraten und glücklicherweise unterdrückten persönlichen Empfindlichkeiten müssen wir uns endlich wieder an Preußen erinnern. Meine Bemerkungen zum heutigen Thema waren vor einem Jahr doch zu kurz, glaube ich. Manchmal habe ich den Eindruck, meine kleine Bibliothek gehört in Wahrheit jemand anderem, es ist immer wieder interessant, was man findet, um dann nicht fertig zu werden. So muß ich muß einmal mehr gestehen, daß ein Beitrag nicht an seinem Tag zu Ende geschrieben wurde und bitte dafür um Nachsicht.

Friedrich Wilhelm IV., der älteste Sohn Luisens und König von Preußen starb am 2. Januar 1861. Er ist nicht sehr beliebt in der demokratischen Geschichtsschreibung, vermutlich, weil er wirklich keiner war, aber das in etwa so originell, wie einem Adler vorzuwerfen, er sei keine Ente. Friedrich Wilhelm IV. war ein „Träumer“, ein „Nostalgiker“, ein „Reaktionär“, so wurde er zumindest genannt. Er fühlte eine sehr lebendige Bindung an das Mittelalter, hatte einen ausgeprägten Kunstsinn und sah sich als ein König, der aus der Gnade Gottes regierte und sich nicht den Launen der neuesten Mode unterwerfen wollte.

Das nennt man landläufig dann wohl „anachronistisch“. Aber was gestern noch so genannt wurde, kann morgen schon wieder ganz modern sein. Wenn man eines an der Geschichte lernen kann, wenn man denn lernen will, ist ein wenig Mißtrauen gegen vermeintliche Selbstverständlichkeiten, gegen das „normale Empfinden“ und vielleicht etwas Empathie für das Gegenwartsfremde. Wie auch immer.

Seine Kindheit war überschattet von den Eroberungszügen Napoleons, 1806, er war noch nicht 11, ging das alte Preußen unter und die königliche Familie mußte in den äußersten Osten des Königreiches fliehen. Er hatte eine enge Beziehung zu seiner Mutter, der berühmten Königin Luise. Die Verbitterung über ihren frühen Tod, den er wohl nicht zu Unrecht auch als Folge dieser Umstände sah, war sicher einer Gründe für seine heftige Aversion gegen alles, was mit der französischen Revolution in Zusammenhang gebracht werden konnte.

Allerdings schrieb sie ihm 1810 in ihrem letzten Brief: „Die Kraft, Deinen Leidenschaften zu widerstehen, fehlt Dir ganz.“ Mit anderen Worten, sie hielt ihn für emotional unbeherrscht. Als Kronprinz galt er dann allerdings als unterhaltsam und gewandt, die romantische Literatur seiner Zeit las er mit Begeisterung, sein Interesse war keinesfalls nur oberflächlich. Er gehörte also zu den gar nicht so seltenen Hohenzollern von großer geistiger Interessiertheit. Man setzte große Hoffnungen in ihn.

Seine ersten Regierungshandlungen, nachdem er 1840 den Thron bestiegen hatte, schienen zunächst durchaus den liberalen Hoffnungen zu entsprechen. Auch seine Förderung des Weiterbaus des Kölner Doms, den er selbst als Symbol für die Einheit Deutschlands verstand, brachte ihm Sympathien ein. Er war überhaupt ein leidenschaftlicher Anreger und Auftraggeber von Bauten, er zeichnete selbst unzählige Entwürfe; die Friedenskirche in Potsdam, in der er auch begraben liegt, geht auf ihn zurück, ebenso das Belvedere auf dem Pfingstberg, die Neue Orangerie, die Heilandskirche in Sacrow. Und auch die Stammburg des Geschlechts, die Burg Hohenzollern, ließ er wieder aufrichten.

Es ist nicht ganz erklärlich, woher diese liberalen Hoffnungen rührten, er jedenfalls ließ es von seiner Seite an keiner Klarheit fehlen, als man ihm 1847 eine Verfassung aufnötigen wollte: „… daß es keiner Macht der Erde jemals gelingen soll, Mich zu bewegen, das natürliche, gerade bei uns durch seine innere Wahrheit so mächtig machende Verhältnis zwischen Fürst und Volk in ein conventionelles, constitutionelles zu wandeln, und daß ich es nun und nimmermehr zugeben werde, daß sich zwischen unseren Herrn Gott im Himmel und dieses Land ein beschriebenes Blatt … eindränge, um uns mit seinen Paragraphen zu regieren und durch sie die alte, heilige Treue zu ersetzen.“

Kurioserweise ist diese Vorstellung, unvermittelt aus der Gnade Gottes handeln zu können, eher eine Übersteigerung des mittelalterlichen Herrscherbildes. Denn de facto gab es im Heiligen Römischen Reich Ständerechte, den Reichstag, verfassungsähnliche Gesetze und Bräuche. Es war also ein sehr rein gedachtes Mittelalter, dem er anhing.

Es ist ihm noch gelungen, die Revolution von 1848/49, in deren Verlauf ihm sogar die Kaiserkrone angetragen wurde, wesentlich mit niederzuwerfen. Insofern blieb er äußerlich durchaus erfolgreich. Aber hinter diesem äußeren Erfolg verbarg sich doch ein Vordringen der Ideen, die ihm suspekt blieben. Man sollte vielleicht daran erinnern, daß es ihm dabei nie ausschließlich um Macht ging. Er versuchte der Welt, die er vorfand, seine Vorstellung einer geordneten Gesellschaft entgegenzuhalten, die er für traditionsgegründet und von Gott gewollt ansah, eine Art rückwärtsgewandter Utopist.

Man mag sagen, er sei gescheitert, aber immerhin sind diesem Scheitern, um nur einiges zu nennen, ein fertiggebauter Kölner Dom zu danken und eine ganze Reihe wunderbarer Bauten in Potsdam, die wie Stein gewordene Träume immer noch von den Gedanken dieses Königs zeugen. Andere, gerühmtere Namen, haben weniger hinterlassen.

2 Kommentare:

nbwolf hat gesagt…

danke für den schönen artikel.

lg aus potsdam

MartininBroda hat gesagt…

Hab versucht, mir ein wenig Mühe zu geben, freue mich dann natürlich, wenn's gefällt. Grüße zurück.