Donnerstag, 27. April 2017

Freitag, 14. April 2017

Karfreitag

El Greco, St. Johannes und der Hl. Franziskus 

Und: Heinrich Schütz: “Johannes Passion", SWV 481, Dresdner Kreuzchor, 1970
hier gefunden

Dienstag, 4. April 2017

Von Königin Luise, und wie man ein Gedenken zu bereinigen sucht


Wer das Nachfolgende etwas zu langatmig findet, dem empfehle ich zur schnellen Orientierung den Beitrag: „Louisen-Gedenkstätte sorgt für viel Diskussionsstoff“ auf dem Blog Strelitzius samt dem Kommentar des Dr. Rajko Lippert dazu. Das gibt mir nebenbei die Möglichkeit, über die Sache hinaus, nämlich die irritierenden Pläne des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Neugestaltung der Gedenkstätte am Sterbeort der Königin in Hohenzieritz, scheinbar Nebensächliches anzumerken.

Aber auszugsweise will ich den Kommentar des Herrn Dr. Lippert hier wiedergeben: „Das Unvermeidliche wird getan: Das Sterbezimmer bleibt in respektablem Zustand. Zugegeben, das gefällt mir wirklich... Aber warum gefällt mir das? Weil fast alles beim Alten geblieben ist und eine neue Idee dazu kam. Der Rest:
a) 1 Zimmer mit 2 Bildern, 2 Türen, 2 Medienstationen und einer Holztafel, auf der sich alle einkritzeln dürfen (weil wir ja jetzt alle irgendwie gleich sind – nicht, dass das nur wie früher adlige Familienmitglieder tun),
b) 1 Zimmer mit 1 Kassentresen, 1 Standuhr, ein paar Bildern, die man sich ansehen kann, wenn man an der Kasse ansteht – und damit hat man ja den wesentlichen Teil der Ausstellung schon gesehen.“

Die Experten

Doch beginnen wir mit dem Positiven. Dr. Friederike Drinkuth, Referatsleiterin im Referat 440 - Staatliche Schlösser und Gärten in Mecklenburg-Vorpommern im hiesigen Finanzministerium – ist zweifellos eine honorige Person, so wie auch ihr Stellvertreter Dr. Jörg Meiner.

Erstere erhielt 2016 den Annalise-Wagner-Preis für ihr Buch „Männlicher als ihr Gemahl“ über Herzogin Dorothea Sophie von Mecklenburg-Strelitz (1692-1765), die Gemahlin Adolf Friedrichs III., worin sie erklärte, diese sei die eigentlich beherrschende Gestalt jener Zeit gewesen, so ginge die Verlegung der Residenz aus dem abgebrannten Schloß in Strelitz in das neugegründete, deswegen auch Neu-Strelitz, auf sie zurück.

Ihr Stellvertreter im Referat, Dr. Jörg Meiner, längere Zeit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zugehörig, hat einiges Launige zu Friedrich Wilhelm IV. verfaßt, etwa unter dem Titel: "Durch äußeren Glanz innere Macht erkennen lassen" oder "Wohnen mit Geschichte. Die Appartements Friedrich Wilhelms IV." (man findet es schnell, wenn man danach sucht). Und auch anderes zur preußischen Geschichte. Aber wir haben uns gerade entschlossen, exzessiv zu zitieren, nämlich aus dem erstgenannten Beitrag. Das macht dann die Haltung zum beschriebenen Gegenstand doch recht exemplarisch deutlich.

"Die lange Tradition von politisch determinierter Herrschaftsarchitektur in den Monarchien Europas war ihm aus seinem Unterricht und vielen Stichwerken bekannt. So scheint es nicht allein aus der privaten Vorliebe des königlichen Architekturdilettanten zu resultieren, dass sich auf den meisten seiner hinterlassenen Zeichnungsblätter architektonische Motive finden. Hier kreuzt sich vielmehr der Hang Friedrich Wilhelms zur großangelegten und mit einer diffusen Tendenz zum Genialischen versehenen Bauplanungseuphorie mit der Einsicht, dass die Monarchie aus politischen Gründen eine schlagkräftige und überzeugende architektonische Außendarstellung benötige, sowohl im Profanbau als auch bei Kirchenbauten."

"Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) gehört zu den interessantesten preußischen Herrschern. Aber nicht weil er seine Regentschaft mit politischem oder militärischem Handeln im gesellschaftlichen Gedächtnis verankern konnte, nicht weil er Demokraten mit Soldaten ausmerzen wollte und er 1848 eine mehr als unglückliche Figur machte. Sondern er ist vor allem aufgrund seines Talents und seines Gespürs für das künstlerische Element im individuellen und sozialen Leben in Erinnerung geblieben."

Und dann zitiert er seinerseits aus der Leipziger "Illustrirten Zeitung" von 1846: "Zwei Eigenschaften sind es, welche das unumschränkte Königthum von je mit seinem Begriffe zu verbinden suchte: die der Macht und des Glanzes... Auch das Königthum in Preußen verschmähte es seit seinem Entstehen nur unter Friedrich Wilhelm I. nach Außen hin das zu scheinen, was es war, und wie einfach auch das Privatleben Friedrich's d. Gr. und Friedrich Wilhelm's III. blieb, doch ließen sie selten eine Gelegenheit entgehen, mit königlichem Glanz ihren Thron zu umgeben, während Friedrich I. und Friedrich Wilhelm IV, welcher jetzt Preußens Krone trägt, sich Beide darin begegnen, die äußere Erscheinung des Souverains möglichst imposant durch seinen Hof, seine Residenz im engeren und weiteren Sinne möglichst glänzend, mit einem Worte königlich zu machen.

Dieses Streben im rechten Sinne aufgefaßt, eben wie es uns in Preußen jetzt entgegentritt,... kann keineswegs getadelt werden und es ist eines großen, mächtigen und reichen Volkes würdig, daß, so lange es überhaupt Herrscher hat, diese auch als seine Repräsentanten seiner entsprechend sich zeigen und durch äußeren Glanz innere Macht erkennen lassen.

Darum, wie umfassend und kostspielig auch die Unternehmungen, namentlich auf dem Gebiete der Baukunst sind, denen Friedrich Wilhelm IV. seine Aufmerksamkeit besonders gern schenkt, können seine Unterthanen doch auf der einen Seite mit Vertrauen denselben zuschauen, indem der geregelte Staatshaushalt und der gute Wille des Königs genügende Bürgschaft gegen jede Beeinträchtigung des Allgemeinwohls dadurch bieten; auf der andern Seite aber sogar mit Stolz auf dieselben blicken, weil sie unvergängliche Zeugen des Geschmacks und der Kunstbildung unserer Zeit bleiben werden."
Er (nämlicher Dr. Meiner) kommentiert dieses zeitgenössische Urteil darauf wie folgt: "Die architektonische Außenwirkung des Staates und des Königshauses trägt nach der gewiss zu verallgemeinernden Überzeugung dieses Zeitgenossen somit wesentlich zur Stabilisierung der traditionellen gesellschaftlichen Ordnung bei. Das Bürgertum und seine königlichen 'Repräsentanten' ziehen gleichsam an ein und demselben vaterländischen Strang."

(Jörg Meiner: "durch äußeren Glanz innere Macht erkennen lassen". Die Pläne zur Erweiterung alter Residenzschlösser in den Zeichnungen Friedrich Wilhelms IV., in: zeitenblicke 9, Nr. 3 [23.12.2010])

Wozu dieses weite Ausholen? (Nachdem zuvor einiges an Lektüre nachgeholt worden ist.) Nun Interesse und profunde Kenntnis wird man danach wohl kaum anzweifeln dürfen, aber es scheint ein eher kühles, fast naturkundliches Interesse, das kaum in Verdacht gerät, allzu empathisch werden zu wollen, und sehr aus für das Gegenwärtige charakterischen Urteilen und Haltungen lebt.

(Das pure Gegenteil, nämlich laienhaften Enthusismus kann übrigens, wer will, hier nachlesen. Denn Friedrich Wilhelm IV. beließ es eben nicht nur bei seiner "Bauplanungseuphorie". Sein Denken wurde nicht selten zu Stein, und von diesen Steinen zehren wir geistig noch heute.)

Sterbelager der Königin Luise in Hohenzieritz 
am Morgen des 19. Juli 1810

Der Anlaß

Warum also diese Einführung? Der Verein Kulturgut Mecklenburg-Strelitz, der sich der Erinnerung an das Erbe dieses vergangenen Landes verschrieben hat, lud für vergangenen Dienstag, also den 28. März, ins Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz nach Neustrelitz zur Veranstaltung "„Wie geht es weiter mit der Luisengedenkstätte Hohenzieritz?“

Nach dem Übergang der Königin-Luise-Gedenkstätte im Schloss Hohenzieritz von einem privaten  Verein an das Land Mecklenburg-Vorpommern vor einem Jahr solle die Gedenkstätte am 3. Juni 2017 wieder eröffnet werden.

In das neue Konzept und die Umbauarbeiten würden Dr. Friederike Drinkuth und Dr. Jörg Meiner von der Abteilung Staatliche Schlösser und Gärten im Finanzministerium einführen, um sich anschließend den Fragen des Publikums und der Diskussion zu stellen.

Das Geschehen

Das taten sie, supervisiert von Herrn Stefan Wenzl, Leiter der Abteilung 4 im Finanzministerium von Mecklenburg-Vorpommern - Staatshochbau, Liegenschaften, Schlösser und Gärten, der nur gelegentlich eingriff..

Das Konzept ist sagen wir "puristisch", so in etwa wie der "Wiederaufbau" Kassels nach dem letzten Weltkrieg puristisch erfolgte. Alles solle sich auf das Sterbezimmer konzentrieren, nichts von ihm ablenken. Was nicht authentisch mit Ort und Zeit verbunden sei (und davon ist ja auch noch so viel übrig), würde entfernt (also eingelagert, vernichtet oder an die Leihgeber zurückgeschickt). Und damit die (wenigen) Bilder besser wirkten, bekämen die Wände der kahlgeräumten Räume einen Anstrich in (einem aseptisch anmutenden) Grün (würdig einer Gerichtsmedizin).

Königin-Luise-Gedenkstätte, Schlo0 Hohenzieritz, 2014

Bis vor kurzem sahen sie aus, wie auf dem Bild oben recht gut erkennbar. Ein Ort geschaffen von Liebhabern, die Geschmack, Geist und Anmutung jener Zeit herüberbringen wollten, eine Aura aufrufend, in der der Interessierte auf angenehm verwandte Bestrebungen traf. Da vom Originalen kaum noch etwas die unerfreuliche Zwischenzeit überstanden hatte, mußte man oft improvisieren, aber tat dies sorgsam, hat in seinem Eifer das Ganze vielleicht sogar zu einem allzudichten Wunderkabinett eindringlicher Anhänglichkeit und Sympathie werden lassen. Aber die Gesamtwirkung dieser überschaubaren Zimmer war überüberwältigend, und lebendig.


Dies alles soll nun also fort, offensichtlich stört es. Nun klingt das neue Konzept nicht gänzlich unlogisch. Wenn es für ruinöse Räume, wo vorher nichts mehr gewesen, völlig neu entworfen worden wäre, sogar plausibel. So aber ist es das Konzept einer Auslöschung von dem, was Menschen, die sich diesem Ort verbunden fühlen, in Jahren zusammentrugen und aufbauten.

Und jetzt kommen wir zu dem, was diese Veranstaltung endgültig so gruselig machte. Beide Experten waren in ihrem Vortrag eloquent, detailsicher, entgegenkommend, freudlich bis zur Euphorie, auch voller Lob und Dankbarkeit für das bürgerschaftliche Engagement, das an diesem Ort gewirkt habe. Sie appellierten geradezu an dieses bürgerschaftliche Engagement (das gewissermaßen vor ihnen saß, der Verein allerdings hat sich inzwischen aufgelöst), das so notwendig sei (es gibt kein Personalkonzept) und auf das man hoffe (obwohl man sein Wirken gerade so leisetönend, aber dafür konsequent, entsorgt hatte).

Warum leisetönend? Nun ein Zuhörer fragte anschließend, was die denn genommen hätten. Das gibt vielleicht einen Hinweis, daß auch andere etwas als irgendwie gruselig empfanden. Es waren leise bedachte Worte, die ihren eigenen Narrativ ausrollten, bedacht im Sinne von, daß augenscheinlich ein Wort das andere ergeben müßte, auch wenn der Satz, den sie bildeten, keine wirkliche Logik hatte. Ein für solche Anlässe sprachungewohnter Erzählungsstrom (freundlich, gedämpft, entschleunigt, ständig anknüpfend, voller glaubhafter Empathie, alles Kontroverse auslassend, ja geradezu einen Anlauf zu derselben förmlich unanständig aussehen lassend). Wie das psychedelische Raunen einer ertrunkenen Ophelia? Wir suchen gerade nach Referenzstellen, die das spürbar Absurde einordenen könnten.

Ein nüchternerer Kommentar war anschließend: Ich hatte auch den Eindruck, die wollten uns in den Schlaf singen.

Was eben die Sache so gruselig machte. Die, deren Wirken man abräumen wollte, saßen vor einem, und der Singsang zu diesem geplanten Zerstörungswerk enthielt alles Mögliche, aber kein Bedauern, kein Mitgefühl, und sei es ein resigniertes, kein Einräumen, daß das professionelle Neue das amateurhafte Alte halt beiseite schieben müsse. Das, was man sagte, und das, was man doch gleichzeitig zeigte, sie hatten nahezu nichts miteinander zu tun. Ein Beispiel: Man sei dankbar für für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Hause Mecklenburg. Wenig später wurde eine höchst verärgerte Botschaft Herzog Borwins verlesen. Keine Reaktion.

Die Fassade bekam erst in der Fragerunde leichte Risse und brachte dann dem Herrn Abteilungsleiter seinen Auftritt. Eine Zuhörerin gab vorsichtig ihren Eindruck kund, alles wirke doch sehr leergeräumt und kalt. Keine Antwort. Dann (man muß wissen, eigentlich sitzt in dem Schloß heute die gut ausgestattete Verwaltung des Müritz-Nationalparks), ob die Nationalparkverwaltung nicht einige Räume abtreten könne, um die bisherige Ausstellung in Teilen zu retten. Antwort, man habe nicht die Absicht, aus dem ganzen Schloß ein Museum zu machen. Nun, das war nicht die Frage.

Dann mit einer gewissen Empörung in der Stimme, man habe ja wohl endlich bemerkt, was für ausgewiesene Fachleute hier für das Ministerium wirken würden, und die verdienten deutlich mehr Respekt, und überhaupt erwarte er schon ein gewisses Vertrauen in eine verantwortungsvolle Verwaltung, die schließlich zuständig sei. Auf den Einwand der fehlenden Information und des mangelnden Versuchs einer Einbindung derjenigen, die sich bisher engagiert hätten -  man habe schließlich immer seine Bereitschaft zur Information gezeigt, nach den Entscheidungen selbstverständlich. Schließlich habe man die Verantwortung.

Der Ausblick?

Herr Jürgen Haase vom Residenzschloßverein Neustrelitz hat inzwischen bei der Denkmalbehörde Anzeige gegen die Verwaltung der Schlösser und Gärten MV wegen mutmaßlicher Beschädigung eines baulichen Denkmals erstattet. Grund sei die geplante Umgestaltung der Luisengedenkstätte im Schloß, die die Zerstörung eines Denkmals bedeute, so kann man hier nachlesen. Anscheinend ein erneuter Akt von „Bilderstürmerei und Kulturbarbarei". Bezeichnend für ihn sei eine Aussage der Behördenvertreter gewesen, wonach es für die geplanten Arbeiten im Hohenzieritzer Schloss keine denkmalpflegerische Zielstellung geben würde.

Das ist löblich und hat selbstredend meine Sympathie. Aber, nun ja. Daß Bilderstürmerei nie sine ira et studio erfolgt, weiß man. Also gehe man davon aus, daß das Andenken an unsere Königin schlicht in das Gedränge inzwischen meist auch beamteter ideologischer Akteure geraten ist. Das Vergangene muß dahinscheiden und zu einem angejahrten Ornament werden, mit dem man sich diesmal gerade noch schmücken will. Das Gedenken sediert man besser menschenfreundlich. Bevor das großartige Neue kommt, von dem schon so viel erzählt wurde. Freie Bahn dem Neuen. Das Alte hindert doch nur. Dabei will es einfach nicht vergehen.

Hoffen wir, daß dieser Alptraum aus Täuschung und Schlimmerem von uns genommen werde, und wir erschöpft, doch erlöst, bald davon erwachen dürfen.