Sonntag, 1. Mai 2016

Über vergiftete Toleranz & anderes – eine Predigt

Schönhausen / Elbe

Vor einiger Zeit, als ich meinte, diesen Ort locker fortführen zu können, rang ich mir einen Beitrag über einen „Bischof“ ab, weil es mich aufrichtig empört hatte. Es gibt mittlerweile eine Rechtfertigung (die es nicht besser macht). Der Beitrag dazu ist im Grunde fertig, aber ich mag nicht.

Da ich weiß, daß viele Brüder und Schwestern im Glauben obiges gelesen haben (zu meiner Verblüffung; aber ich merke gerade, ich kann diesen Tonfall nicht), bringe ich gerne nachfolgend eine Predigt von Herrn Roloff.

Er hat Schönhausen mittlerweile verlassen, wurde aber sehr gebeten, diesen Feuerwehrgottesdienst wenigstens wieder abzuhalten. Eine Tradition, die er dort begründet hatte.

Ich empfehle allen, die nach wenigen Zeilen ermüden, auf etwa die Hälfte zu springen, da erzählt er nämlich einiges über das Verhältnis von Glauben und Wahrheit.

Und nebenbei verweist er auf den Zerrottungszustand unserer gegenwärtigen „abendländischen“ Kultur. Aber zum Glück haben wir ja eine andre Heimat.

Ich will schließen mit Kolosser 2, 8f.:

Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus

Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.


Predigt zum Feuerwehrgottesdienst am 1. Mai 2016, dem Sonntag Rogate, in Schönhausen/Elbe


Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Kameradinnen, liebe Kameraden,
liebe Gemeinde,

als Thema will ich, bevor ich uns den Predigttext aus dem 1. Timotheusbrief verlese, einmal die Frage vorgeben, was wir als Christen von unserer Feuerwehr lernen können.

Im für den Sonntag Rogate vorgeschriebenen Abschnitt des Paulusbriefes lesen wir:

„1 So ermahne ich euch nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und alle Obrigkeit, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. 3 Denn solches ist gut und angenehm vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, 6 der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“

Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen. Das ist die Aufgabe der Kirche nicht nur in dieser österlichen Zeit, sondern in allen Zeiten des Jahres.

Es ist gut, dass wir in jedem Jahr einen besonderen Gottesdienst feiern, um für den Dienst unserer Feuerwehr zu danken und für alle zu beten, die diesen Dienst freiwillig leisten. So werden die Bedeutung der Feuerwehr und die Aufgabe einer Kirchengemeinde in einen sinnfälligen Zusammenhang gestellt. Ich habe das in der Zeit, als ich hier Verantwortung tragen durfte, für ganz besonders wichtig erachtet und hoffe sehr, dass sich diese Tradition lebendig erhält.

Fürbitte und Danksagung setzen sich fort im Hinblick auf die Könige und auf alle Obrigkeit. Wir dürfen für unsere Zeit daran lernen, dass jeder, der engagiert am Gemeinwesen mitwirkt, Obrigkeit ist, weil er das Zusammenleben nach seinen Vorstellungen gestaltet. Bei der Feuerwehr wird es ganz plastisch, wie sehr Notwendigkeiten der Welt und das Verantwortungsgefühl von Menschen, aneinander gebunden sind. Wie sollte man ein ruhiges und stilles Leben in Gottseligkeit und Ehrbarkeit führen, wenn man nicht sicher wüsste, dass es Menschen gibt, die bei jeder Gefahr sehr schnell da sind, um Hilfe zu leisten? „Schnell wie die Feuerwehr“ ist nicht ohne Grund gerade bei Kindern zum beliebten Sprichwort geworden.
Beim weiteren Lesen unseres Textes freut man sich dann natürlich über das Lob: Denn solches ist angenehm vor Gott, unserem Heiland. Man freut sich darüber besonders, wenn man Menschen vor sich hat, die sich dieser Verantwortung stellen.

Der Gedanke wird aber noch weiter verfolgt. Warum ist es vor Gott gut und angenehm, wenn diese Lebensordnung aus Fürbitte, Danksagung und verantwortlichem Dienst aufrechterhalten wird?

Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Hilfe für Andere und die Erkenntnis der Wahrheit sind hier als das Fundament unseres Lebens benannt. Auch dieser Zusammenhang ist am Beispiel unserer Feuerwehr sehr anschaulich darstellbar. Ich habe dem Bericht, den Karl-Keinz Pick mir jedes Jahr zur Vorbereitung des Gottesdienstes zuleitet, entnommen, dass im Jahr 2015 insgesamt 49 Schulungsabende stattfanden, an denen 495 Kameradinnen und Kameraden teilnahmen. Wer sich nun von den Nichtfeuerwehrleuten unter den Gottesdienstbesuchern fragt, warum so viele, die Feuerwehr hat doch nur 26 Mitglieder, dem sei gesagt, dass diese Zahl natürlich durch Mehrfachteilnahmen zustande kommt.

Bei diesen Schulungen werden der Atemschutz, die Wasserentnahme an offenen Gewässern, aber auch konkrete Rettungsmaßnahmen trainiert, es werden Fahrzeug- und Gerätekunde gelehrt und auch die Bootsausbildung gehört aus leidvoller Erfahrung inzwischen zum festen Programm. Diese Aus- und Fortbildung ist stets in der Freizeit zu absolvieren. Es gehört viel guter Wille und auch Geschick dazu, die Schulungsabende so zu organisieren, dass sie durch die Kameradinnen und Kameraden auch wahrgenommen werden können. Einige Kameraden stellen sich dieser Aufgabe bereits über Jahrzehnte hinweg. Einige von ihnen wurden deshalb in diesem Jahr wieder geehrt:

Friedrich Kurth 65 Jahre,
Maik Pultermann 25 Jahre,
Mario Pultermann 25 Jahre,
Robert Klosz 20 Jahre und
Jörgen Vogel 20 Jahre.

Dahinter verbergen sich beachtliche Leistungsbereitschaft, viel Disziplin und großes Verantwortungsgefühl.

Ist es darum nicht selbstverständlich, dass alles, was gelehrt wird, auch an der Wirklichkeit gemessen werden muss? Ausbilder sollen weitergeben, was den Feuerwehrleuten im Einsatz auch wirklich hilft. Die Richtigkeit dessen, was man lernt, kann im Ernstfall, beim Brandt oder Unfall über Leben und Tod entscheiden. Die Rettungsdienste können zu Rettern werden, weil sie streng beachten, was an den Härten und Grausamkeiten der Wirklichkeit erprobt ist. Zum Glück ist das so, und ich möchte nur Menschen in unseren Feuerwehren haben, die wissen, was in den verschiedenen Brand- und Katastrophenfällen zu tun ist, und dies nicht nur vermuten. Das Erfassen der tatsächlichen Lage und das schnelle Treffen der richtigen Entscheidung sind wichtige Fähigkeiten aller Rettungskräfte. Ihnen ist vollkommen klar, dass mit jeder Entscheidung immer das Verwerfen aller anderen Handlungsoptionen verbunden ist.

Hier ist nun noch nicht einmal in jedem Fall gleich die Wahrheitsfrage gestellt, und doch wird ganz klar, wer zur rettenden Tat gelangen will, der muss den Prozess des Abwägens irgendwann beenden und sich festlegen.

Vor diesem Hintergrund will ich nun eine Passage aus einem Grundlagentext unserer Evangelischen Kirche in Deutschland zu Gehör bringen, der auf das Reformationsjubiläum im kommenden Jahr zielt:

„So wie ich meine Überzeugung für wahr halte, hat der andere das Recht, seine Überzeugung für wahr zu halten, und umgekehrt. Die Herausforderung besteht darin, von Christus zu sprechen, aber so, dass dabei nicht der Glaube des anderen abgewertet oder für unwahr erklärt wird. So wie für den Christen das Gehören zu Christus der einzige Trost im Leben und im Sterben ist, so ja auch für den Anhänger der anderen Religion sein spezifischer Glaube. Dies darf auf beiden Seiten des Gespräches anerkannt werden.“ (Rechtfertigung und Freiheit, 500 Jahre Reformation 2017, Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2014, S.58)

Was hier scheinbar so einfühlsam verständnisvoll daher kommt, setzt voraus, dass selbst die einfachsten Regeln der Logik im Bereich des Glaubens keine Gültigkeit besitzen. Es macht die Religion zur reinen Einbildung der Menschen. Das haben bislang immer nur die Feinde derselben behauptet, es wurde nicht von kirchenamtlichen Stellen erklärt. Es ist nicht weniger als die Erklärung des vollständigen Bankerotts von Theologie und Glaube.

Es liegt dieser Erklärung zunächst ein tiefreichendes Missverstehen des in unseren Tagen viel benutzten Toleranzbegriffs zugrunde.

Toleranz bedeutet nämlich nicht, alles ist irgendwie richtig. Toleranz bedeutet, ich dulde eine Sache, obwohl ich sie für falsch halte, weil es für diese Duldung möglicherweise gute Gründe gibt. Diese können dann sehr wohl im Respekt vor anderen Menschen, Kulturen und Religionen liegen. Dieser Respekt ändert doch aber nichts an dem Unterschied zwischen richtig und falsch. Wenn ich nämlich die andere Überzeugung für richtig hielte, dann müsste ich sie nicht tolerieren, dann könnte ich ihr zustimmen, ihr auch beitreten.

Der vollständige Bankerott resultiert aus der Aufgabe des Wahrheitsanspruchs. Was hier zur Diskussion gestellt wird sind nur noch selbstgemachte Meinungen. Wahrheit braucht aber die Übereinstimmung der Aussage mit der Wirklichkeit. Der Wahrheit wegen glauben und bekennen wir, dass Christus, der Mensch gewordene Gott, der alleinige Retter der Welt ist. Das haben die Propheten verheißen und die Apostel bezeugt, das glaubt und verkündet die Kirche von Anfang an. Die Theologie aller Zeiten hat mit großem Ernst um die Erforschung und Sicherung des verlässlichen Zeugnisses gerungen. Bereits die Evangelien erheben genau diesen Anspruch. „Das ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und dies geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist“, so heißt es bei Johannes.

Können wir uns nun hinstellen und sagen: Von nun an glauben wir nur noch, dass Christus möglicherweise der Retter der Welt ist? Damit erwirbt man sich auch keineswegs den Respekt der Gläubigen anderer Religionen, sondern man macht sich schlicht lächerlich. Hier benimmt man sich wie in dem albernen Witz, in dem erzählt wird, dass ein Archäologe und ein Pfarrer einander begegnen und der Archäologe aufgeregt verkündet, man hätte Jesu Grab gefunden mit einem Skelett darin, und der Pfarrer antwortet daraufhin, das wäre interessant, dann habe es Jesus ja tatsächlich gegeben.

Wir glauben, dass in Christus der Schöpfer der ganzen Welt, des unendlichen Universums, ein Mensch geworden ist, und dass er aus dem Grabe von den Toten zu ewigem Leben auferstanden ist, und wollen nun immer dazu setzen, das glauben wir aber nur unter der Bedingung, dass die Apostel und Heiligen, ja Gott selbst sich nicht geirrt haben?

Es ist doch gerade Ausdruck unseres Respekts zu verkünden: Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Mitte unseres Glaubens ist Jesus Christus, der sich mit dem Satz: Ich bin die Wahrheit, der Welt offenbart hat. Wie können wir dann einen solchen zerstörerischen Subjektivismus zulassen?

Wenn ich als Mensch bezeuge, dass Jesus Christus der auferstandene Herr der Welt ist, dann kann das doch nicht in einem Vielleicht münden. Ich habe doch dann die Pflicht, diese Wahrheit in Dankbarkeit und mit großer Freude der Welt und allen Menschen kund zu tun.

Der Versuch, zwischen Menschen, Völkern und Religionen Frieden dadurch herzustellen, dass man auf die Wahrheitsfrage einfach verzichtet, wird zwingend scheitern. Frieden ohne Wahrheit kann es nicht geben. Auch ist jedes Gespräch, um das es hier doch gehen soll, ganz und gar sinnlos, wenn man in ihm nicht um die Wahrheit ringt. Der christliche Glaube war von Anfang an ein Skandal, der die Welt in Aufruhr versetzt hat. Niemand sollte versuchen, daraus eine Farce zu machen.

Der heutige Sonntag, der letzte im Osterkreis, trägt den Namen Rogate – Betet. Es liegt ganz wesentlich bei uns, bei den christlichen Gemeinden, uns diesem Irrweg zu widersetzen, denn Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unsern Herrn.

Amen

2 Kommentare:

DirkNB hat gesagt…

"Der Beitrag dazu ist im Grunde fertig, aber ich mag nicht."

Das Gefühl kenne ich auch. Tief in den Archiven meines Blogs versauern zumindest angefangene Blogbeiträge, denen ich eine gewisse Tiefgründigkeit und Umfänglichkeit zugeordnet habe, und warten, teils seit Jahren, auf Vollendung. Das Schlimme dabei ist nur, dass darin gemachte oder angedachte Gedanken mittlerweile durch andere (auch Profis) veröffentlicht wurden, zumindest in meiner Filterblase waren sie bis dahin noch recht exklusiv bei mir und es wären Gedankenrichtungen gewesen, die ich anderswo noch nicht fand. So hat sich die Ausformulierung zumindest des einen Artikels von selbst erledigt, nachdem selbst focus.de darüber philosophierte.

Was ich sagen will: Die Veröffentlichung nicht zu lange aufschieben. Immerhin steckt doch etwas Arbeit drin. Oder dies ignorieren und löschen. ;-)

MartininBroda hat gesagt…

Vollinhaltliche Zustimmung. Aber es findet sich eine schlimme Steigerung. Man liest etwas, findet es interessant (das ist jetzt eher die Vor-Internet-Ära (ich habe den Wechsel übrigens ganz gut mitbekommen und sage nur - die Listen von den wenigen Such-Maschinen, die eher an gedruckt Lexika erinnerten (gab's auch mal))) - und versteht kaum ein Wort. Das ist noch deprimierender als all die versandeten Anfänge.