Sonntag, 23. August 2015

Über Heilung – eine Predigt


Während ich noch etwas müde den gestrigen Tag sortiere, den Gottesdienst in der Stadtkirche auslasse (tut mir leid) und stattdessen gerade dem Pastor Olaf Latzel von der St. Martini Gemeinde zu Bremen zuhöre (hoffentlich erzählt er nicht wieder, ich müsse fest glauben, daß die Welt in mathematisch exakt 6 Tagen geschaffen wurde, Nachtrag: Nein, hat er nicht, es war hörenswert) – die kurze Predigt, die Herr Roloff wohl gerade hält. Ich habe jedenfalls keine anderen Nachrichten.

Predigt zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Und da er wieder ausging aus der Gegend von Tyrus und Sidon, kam er an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der zehn Städte.
Und sie brachten zu ihm einen Tauben, der stumm war, und sie baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte.
Und er nahm ihn von dem Volk besonders und legte ihm die Finger in die Ohren und spützte und rührte seine Zunge und sah auf gen Himmel, seufzte und sprach zu ihm: Hephatha! das ist: Tu dich auf!
Und alsbald taten sich seine Ohren auf, und das Band seiner Zunge war los, und er redete recht.
Und er verbot ihnen, sie sollten's niemand sagen. Je mehr er aber verbot, je mehr sie es ausbreiteten.
Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.
Mk 7, 31-37

Liebe Gemeinde,

heute vor genau 25 Jahren beschloss die Volkskammer in Berlin den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des GG zum 3. Oktober 1990. Im Rohbau des wiedererrichteten Stadtschlosses findet darum heute eine Festveranstaltung statt. Ohne Zweifel war das einer der bedeutendsten Beschlüsse der deutschen Parlamentsgeschichte. Es war ein Beschluss, der uns aus der Nachkriegszeit tatsächlich in eine Friedensordnung führte.

Man kann diesen Teil unserer Geschichte auch als einen Prozess der Gesundung betrachten und sich darin unserem heutigen Evangelientext annähern.
Ganz bewusst hat die Kirche ihn in den Zusammenhang mit dem Prophetenwort Jesajas und der Bekehrungsgeschichte des Paulus gestellt, die wir als Lesungen gehört haben.

Es geht um ein umfassendes Heil-Werden des Menschen und der menschlichen Gemeinschaft.

Folgen wir zunächst dieser im wahrsten Sinne „anrührenden“ Geschichte der Heilung des Taubstummen.

Sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war.

Das ist es immer, was erforderlich ist, dass wir Freunde haben, die wissen, was erforderlich ist, was helfen könnte in einer Lebenslage, in der wir uns selbst nicht mehr zu helfen wissen. Ein Mensch ist taub und stumm. Wie kann er da am Leben teilnehmen? Es ist ein großes Glück, dass er Gefährten um sich hat, die für ihn Hoffnung fassen und ihn zu dem bringen, von dem sie aus welchen Gründen auch immer glauben, dass er helfen kann.

Sie baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege.

Das was sie ahnen, vielleicht schon anderswo gesehen oder davon gehört haben ist, dass der Kranke berührt werden muss. Wer in die Nähe dieses wandernden Menschen kommt, der wird zum Guten verändert werden. Das ist ihnen ganz unzweifelhaft.

Und er nahm ihn aus der Menge beiseite…

Das ist vielleicht der alles entscheidende Punkt. Der Herr nimmt den Betreffenden aus der Menge. Er macht ihn zum Individuum, zu seinem Gegenüber. Hier wirkt nicht der Herr über die Menge, der sich durch seine Wunder Respekt und Achtung, Treue und Gefolgschaft sichern will. Das alles hat Christus nicht nötig. Hier wirkt der Mensch gewordene Gott, der den einen aus der Menge nimmt und der die Macht hat, ihn anzureden. Ich und Du, wir verbinden uns. Hier beginnt die Heilungs- und Glaubensgeschichte.

…und er legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel.

Wir erfahren hier ein wenig davon, dass Christus tatsächlich irgendwelche medizinischen Kenntnisse besessen hat. Er heilt hier nicht einfach durch sein Wunder wirkendes Wort, er macht da etwas mit dem Kranken. Wir erfahren nur das, was die Umstehenden aus entsprechender Entfernung gesehen haben, oder was der Kranke selbst gewahr geworden ist.

… und sah zum Himmel auf seufzte und sprach zu ihm…

Hier wird uns Christus als Herr der ganzen Welt offenbart. Dies ist nämlich der Augenblick seiner Mittlerschaft.

Er ist der alleinige und einzige Mittler zwischen Himmel und Erde, zwischen Mensch und Gott. Hier bekommen wir es vor unsere Augen gestellt, dass Christus Himmel und Erde berührt und eine unzerstörbare Verbindung zwischen beiden stiftet, in der wir heil werden.

Hefata! Tu dich auf!

Er sagt es und es geschieht. Wie im Akt der Schöpfung der Welt. Es wird ganz klar und deutlich: Unser Erzählen vom Schöpfer der Welt, vom inneren Zusammenhang der Dinge und vom Sinn des Glaubens ist kein spekulatives Gerede, sondern es betrifft den einen Menschen, der aus der Menge genommen ist und der Du bist.

Verkündet es aller Welt, dass sie heil werden kann. Sagt es den Menschen, dass sie gerettet sind.

Alles was der Herr hier tut, ist die Erfüllung der Prophetie, die der Menschheit von Anfang an gegeben war. Alles was der Herr tut, macht deutlich, dass das Wirken des Schöpfers kein Ende gefunden hat, sondern auch und gerade in der Erlösung aller Dinge neuen Ausdruck findet.

So beten wir darum für unser Volk und für unser Land, dass wir uns nach Gesundheit, nach Heil-Werden, nach Wiederaufrichtung und nach Wachheit sehnen – wozu wir auch durch den Lauf der Geschichte wieder alle Möglichkeiten geschenkt bekommen haben. Lasst uns so auch das Zeugnis des Glaubens aufrichten, wie Jesaja es verheißen und wie Paulus es an sich erfahren hat.

Wie sollten wir uns da berauschen an Zerfall und Niedergang, so als wäre das Schwinden der Ordnungen des Glaubens und der christlichen Kirche gleichsam ein Befreiung und ein Glück.

Nein, vielmehr wird es ein „Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern wird es aus sein. Und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten.“

Das ist es, was wir als Christen erhoffen und warum wir beten. Wir glauben an den, der uns aufrichtet und der alle Menschen gesund machen will und wird.

So spreche denn auch ich: Hefata! Tu dich auf!

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn.

Amen

Thomas Roloff

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