Samstag, 4. April 2015

Zur Osternacht


Matthias Grünewald:  Isenheimer Altar, Auferstehung

Predigt Osternacht

Mt 28, 1-10

Die Gnade und der Friede des auferstandenen Herrn sei in dieser Heiligen Nacht und alle Zeit bei Euch!

Amen

Liebe Gemeinde,

das Dunkel des Gotteshauses ist uns als Christen auch ein Gleichnis für das leere Grab. Als Christen sind wir in dieser Welt, wie in einem Grab. Wir sind von der Erde genommen und darum auch in jeder Lebensregung dieser Tage, sei sie glücklich oder leidvoll doch auch immer beerdigt. Von Erde sind wir genommen, zu Erde sollen wir werden, und unsere gesamte Liturgie, hier in diesem dunklen Haus, ist gleichsam eine Einübung in den Tod. Wir versammeln uns in diesem Grab, wir versammeln uns in den Tod.

Nun versammeln wir uns als getaufte Christen aber nicht einfach in irgendeinen Tod, oder werden getrennt dadurch in Ewigkeit, weil jeder Mensch in seinen Tod versinken würde. Als Christen versammeln wir uns in Seinen Tod, in den Tod unseres Herrn, den er am Kreuz für uns erlitten hat. Nun trennt uns nicht der Tod, sondern er einigt uns. Tot sind wir – im Grab sind wir – aber wir sind in seinem Tod, sind einiger, als wir es im Leben vielleicht waren, und wir blicken ganz in sein leeres Grab.

Und erst jetzt werden wir gewahr, dass bereits Licht in diesem Raume ist. Wir haben es selbst mit der Osterkerze in diese Basilika, in diese Königshalle getragen – und dieses Licht, mit dem wir unsere eigenen Kerzen entzündet haben, durchscheint diese Finsternis. Sind es wirklich die Kerzen, die die Finsternis des Grabes durchleuchten, unser Hiersein und unseren eigenen Tod, den wir in dieser Nacht auch feiern, erleuchten?

Hören wir noch einmal auf das Evangelium dieser hochseligen Nacht!

1 Als aber der Sabbat um war und der erste Tag der Woche anbrach, kam Maria Magdalena und die andere Maria, das Grab zu besehen. 2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des HERRN kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Tür und setzte sich darauf. 3 Und seine Gestalt war wie der Blitz und sein Kleid weiß wie Schnee. 4 Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot.

Der Sabbat ist um, der Ruhetag, die Ruhezeit Gottes ist um. Die Ruhe Gottes hat ein Ende, sie ist vorbei, und der erste Tag der Woche bricht an. Der erste Tag bricht an. Da eröffnet sich nicht einfach eine neue Woche mit ihren gewöhnlich fünf Arbeitstagen mit ihrem oft gedankenlosen Einerlei, ihren Sorgen und Plagen und mit dem Leidvollen, das wir uns so oft selbst bereiten. Es eröffnet nicht eine weitere Woche, in der wir unserem Leben weiter nachgehen, Böses tun, treulos sind und Unheil stiften.

Es ist nicht zunächst unser Tag, der da beginnt. Es ist Gottes erster Tag! Gott hebt an zu seiner neuen Schöpfung, und die Erde, seine alte Schöpfung erbebt. Die ganze Erde erbebt, so wie wir auch zittern werden, wenn der kommt, der all unser Tun und Handeln zur Rechenschaft ziehen wird. Was haben wir einander und unsren Kindern getan? Gegen das Zittern der Menschen dann wird das Erdbeben, das die beiden Frauen erleben, nur ein schwacher Vorbote sein. Dennoch macht es eindeutig klar: Gottes neue Schöpfung hebt an.

Die Wachen am Grab erschrecken und werden, als wären sie tot. Die Handlung beschränkt sich nun ganz auf den Engel, der wie ein Blitz vom Himmel herabfährt und auf die beiden Frauen. Wer um sich nur Natur, nur Blitz und Donner, Erdbeben und Gewalt vermutet, der wird auch nur ganz Natürliches sehen und wird von seiner Furcht aufgefressen – was auch ganz und gar natürlich ist. Der Engel und die Frauen aber, sie begegnen einander.

 5 Aber der Engel antwortete und sprach zu den Weibern: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.

Darin offenbart sich der Engel, er kann in das Herz der beiden Frauen schauen. Sie sind auf der Suche, und wer sucht, der wird dem Engel begegnen, selbst dann, wenn er nur den toten Herrn sucht, Jesus, den Gekreuzigten und den Gestorbenen. Aber selbst die Suche nach dem Gekreuzigten und nach dem Gestorbenen führt auf den rechten Weg, führt an das Grab, führt zum Engel des Herrn, führt an den einzigen Ort, an dem sich die alte und die neue Schöpfung jemals berührt haben, führt an das Grab.

Darum sind wir versammelt in dieser Halle – in seinem Grab, in dem wir unser eigenes Sterben bedenken. Das Grab ist der äußerste Punkt der alten Schöpfung, von der wir in der Lesung aus der Genesis gehört haben. Hier stehen wir mit den beiden Frauen, mit Maria von Magdala und mit der anderen Maria an seinem Grab.

Und hier geschieht auch an uns die Botschaft dieser Heiligen Nacht:

6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, da der HERR gelegen hat.

Liebe Gemeinde,

das ist die Ursprungsstunde der neuen Welt, das ist der Anbeginn ewigen Lebens, das ist die Quelle, aus der die Kirche seither schöpft, das ist der Urgrund der Wahrheit, von der wir künden, das ist das Geheimnis dieser Heiligen Nacht, und es wird uns und der ganzen Welt kund allein durch das Wort des Engels, in dem wir das Wort Gottes hören.

Es ist allein das Wort, durch das alles geschieht. So wie Gott am Anfang der Welt allein durch sein Wort alles was ist ins Dasein treten ließ, so ruft er nun durch sein Wort, das im selben Augenblick an uns verkündet wird, den Sohn ins Leben und schafft den Anbeginn des ewigen Lebens, in das auch wir hier treten. In dieser Nacht schon treten wir aus unserem eigenen Grab heraus und in das unvergängliche Wesen unseres Herrn hinein.

Erst jetzt setzt das Schauen ein. Nur der Glaube lehrt uns auch zu sehen und zu bezeugen, was dort geschehen ist. Kommt und seht die Stätte. So spricht der Engel.

7 Und gehet eilend hin und sagt es seinen Jüngern, daß er auferstanden sei von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. 8 Und sie gingen eilend zum Grabe hinaus mit Furcht und großer Freude und liefen, daß sie es seinen Jüngern verkündigten.

Nachdem in diesem einen entscheidenden Moment gleichsam die Zeit still stand, so setzt nun die Geschichte wieder ein: Geht eilend! Geht eilend in die Welt und verkündet es allen, denn hier hat heute etwas ganz Neues begonnen. Die Geißel des Sterbens, die Fessel des Todes ist von euch genommen. Dieses eilende Laufen hat seitdem kein Ende gefunden. Das Wort des Engels läuft durch die Welt, springt über die Meere auf alle Kontinente und durchdringt die Generationen. Er ist auferstanden, und der Tod ist besiegt. Der Gott des Lebens ist der Sieger.

Und da sie gingen seinen Jüngern zu verkündigen, 9 siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßet! Und sie traten zu ihm und griffen an seine Füße und fielen vor ihm nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, daß sie gehen nach Galiläa; daselbst werden sie mich sehen.

Erst nachdem sich die Frauen aufmachen, um es den Jüngern zu verkündigen, erst nachdem sie allein das Wort mit ihren Herzen ergriffen hatten, erst nachdem sie durch den Glauben ganz umfangen waren, begegnen sie nun auch dem Herrn Jesus. Fast scheint es so, als stünde also die Botschaft vor der Möglichkeit zur Gottesbegegnung. Nur wer glaubt, der wird Gott auch schauen. Aber genau diese Unterscheidung trifft es nicht ganz. Wir sollen gewahr werden, dass das Wort und der im Wort entzündete Glaube bereits die Gottesbegegnung ist.

So dürfen wir bekennen: Wir haben den Herrn gesehen. Wir dürfen die Botschaft des Engels weitertragen, wieder eine Generation, wieder ein Ort, wieder an einem Menschen kommt das Wort Gottes ans Ziel und wandelt uns zu den lebendigen Tempeln seiner Herrlichkeit und Gegenwart, und dieses Haus bleibt zurück als Gleichnis für das Leere Grab, aus dem Gott seinen Sohn ins Leben gerufen hat, wie er am Anfang aus Nichts alles geschaffen hat. An seiner statt bin ich in dieser Nacht vor euch hingetreten und spreche: Seid gegrüßt!

Amen

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Der Friede des Auferstandenen sei mit Euch.

Thomas Roloff

Noël Coypel: Auferstehung Christi

nachgetragen am 8. April

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