Dienstag, 17. März 2015

Über einen verstorbenen Kaiser und einen Herzog

Fragment einer Mark-Aurel-Bronzebüste, etwa 170 n. Chr.

Es wirkt zwar etwas konstruiert, daß der französische Herzog de La Rochefoucauld und der römische Kaiser Marcus Aurelius am gleichen Tage gestorben seien, aber halten wir einfach daran fest, es sei so.

Ich habe vor einiger Zeit einmal ein Zwiegespräch zwischen beiden erfunden, das erstaunlich gut zusammenging, da sie sich so fremd offenbar nicht sind. Zur Abwechslung sind diesmal Bilder vom Kaiser zu sehen, aber nur Zitate von La Rochefoucauld zu lesen (aus seinen „Sentenzen und Maximen“); zu beiden ist schon von so vielen so vieles gesagt worden, daß man gern der Neigung nachgibt, zu verstummen.

Vielleicht nur dies, als ich die Bilder zu Mark Aurel aussuchte, stolperte ich über ein Jugendbildnis von idealischer Nacktheit, das mich für eine halbe Sekunde ernsthaft empörte, in etwa, das sei nun doch zu abgeschmackt, bis der Verstand wieder einsetzte und dem Gefühl den Kontext erklärte. Man fühlt sich Dingen oder Namen halt oft viel näher, als man ein Anrecht darauf haben könnte.

Mark Aurel, The Walters Art Gallery, Baltimore
hier gefunden

„Die Leidenschaften haben etwas Ungerechtes und Eigennütziges an sich, das es gefährlich macht, ihnen zu folgen, und zu Mißtrauen selbst dann rät, wenn sie durchaus vernünftig erscheinen.“ (9)

„Im menschlichen Herzen entstehen beständig Leidenschaften, das Ende der einen bestimmt fast immer den Anfang einer anderen.“ (10)

„Wie sehr man sich auch bemüht, seine Leidenschaften in den Schein der Frömmigkeit und der Ehre zu hüllen, sie scheinen immer hindurch.“ (12)

„Der Neid ist eine Leidenschaft. die ein Gut anderer nicht ertragen kann.“ (28)

„Die Philosophie besiegt leicht vergangene und zukünftige Übel, aber gegenwärtige triumphieren über sie.“ (22)

„Man bedarf weit größerer Tugenden, das Glück zu ertragen, als das Unglück.“ (25)

"Es ist, als ob die Natur, welche die Organe unseres Körpers so weise angelegt hat, um uns glücklich zu machen, uns auch den Hochmut zugesellt hätte, um uns den Schmerz zu ersparen, unsere Mängel zu erkennen.“ (36)

"Der Eigennutz spricht jede Sprache und spielt jede Rolle, selbst die der Uneigennützigkeit." (39)

„Wir sind nicht stark genug, um unserer Vernunft ganz zu folgen.“ (42)

Mark Aurel, Originalstatue, Rom

„Der Unbestand unseres Gemüts ist weit launischer als der des Schicksals.“ (45)

„Nie ist man so glücklich oder unglücklich als man glaubt.“ (49)

„Jeder klagt über sein Gedächtnis und keiner über seinen schwachen Verstand.“ (89)

„Alte Leute geben gern gute Lehren, um sich darüber zu trösten, daß sie nicht mehr imstande sind, böse Beispiele zu geben.“ (93)

"Wenn die Laster uns verlassen, schmeicheln wir uns mit dem Wahn, wir hätten sie verlassen." (192)

„Das Schicksal läßt unsere Tugenden und Laster in Erscheinung treten, wie das Licht die Gegenstände erhellt.“ (380)

Mark Aurel als Kind, Rom

"Die Feinheit des Geistes besteht darin, Ehrenhaftes und Vornehmes zu denken." (99)

„Es ist weit leichter, für andre als für sich selbst klug zu sein.“ (132)

„Es ist eine große Narrheit, allein weise sein zu wollen.“ (231)

„Es gibt böse Menschen, die weniger gefährlich wären, wenn sie durchaus keine gute Eigenschaft hätten.“ (284)

„Wir lieben beständig, die uns bewundern, aber nicht alle, die wir bewundern.“ (294)

„Schwache Menschen können nicht aufrichtig sein.“ (316)

„Wenn unser Haß zu stark wird, erniedrigt er uns unter diejenigen, die wir hassen.“ (338)

„So mißtrauisch wir auch gegen die Aufrichtigkeit mancher Menschen sind, so glauben wir doch beständig, daß sie zu uns ehrlicher sind als zu anderen.“ (366)

„Der Hauptfehler des Scharfsinns ist nicht, daß er nicht zum Ziel gelangt, sondern daß es ihn darüber hinausdrängt.“ (377)

"Bevor man etwas brennend begehrt, sollte man das Glück dessen prüfen, der das Ersehnte besitzt." (543)

„Es gibt keine lästigeren Dummköpfe als die geistreichen.“ (451)

junger Mark Aurel, San Antonio Museum of Art

beendet am 19. März

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