Sonntag, 8. Juni 2014

Pfingsten


Herr Roloff wird morgen, sub conditione Jacobaea, in seiner Heimatstadt diese Predigt halten. Da mein Pfingsten bisher eher ungeistlich vor allem verschlafen wurde (eine Erklärung soll folgen), dachte ich, bringe ich sie schon heute (um mein Gewissen zu erleichtern gewissermaßen). Nur eine Anmerkung, irgendwann kommt in ihr (ich sagte darüber zu ihm leicht respektlos „wie Kai aus der Kiste“) die Heilige Jungfrau vor, aber die Wirkung davon ist quasi naturgesetzlich, das ganze innere Wesen verfällt in einen Zustand des breiten  Wohlgefallens.

Ich habe gelegentlich meine Schwierigkeiten mit dem Heiligen Geist angedeutet, aber so bin ich wieder mit ihm versöhnt, hinreichend.




Predigt Pfingstmontag 2014 in Bützow/Mecklenburg

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Predigttext:  Apg 2, 22-23.32-33.36-39

22 Ihr Männer von Israel, höret diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann, von Gott unter euch mit Taten und Wundern und Zeichen erwiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch (wie denn auch ihr selbst wisset), 23 denselben (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes übergeben war) habt ihr genommen durch die Hände der Ungerechten und ihn angeheftet und erwürgt. 32 Diesen Jesus hat Gott auferweckt; des sind wir alle Zeugen. 33 Nun er durch die Rechte Gottes erhöht ist und empfangen hat die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater, hat er ausgegossen dies, das ihr sehet und höret. 36 So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zu einem HERRN und Christus gemacht hat. 

37 Da sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz, und fragten Petrus und die andern Apostel: Ihr Männer, was sollen wir tun? 38 Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes. 39 Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und aller, die ferne sind, welche Gott, unser HERR, herzurufen wird.

 Liebe Gemeinde,

dieser Text der Apostelgeschichte bezeichnet uns den innersten Kern dessen, was die Kirche zu Pfingsten feiert. Sie feiert die Antwort auf eine einzige Frage. Die Frage wurde von jenen gestellt, die durch die Predigt des Petrus aufgeschreckt wurden. Es gingen ihnen die Worte Petri durchs Herz! Der Apostelfürst hatte sie mit ihrer Verantwortung für den Tod des Herrn konfrontiert und ihnen die Auferstehung und Erhöhung Christi verkündet. Daraufhin fragen sie: Was sollen wir tun? Was sollen wir tun in dieser Welt? Was haben wir hier als Menschen zu tun? Die Antwort auf diese Frage feiert die Kirche heute.

Petrus verkündet dem Volk damals und allen Menschen: „Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.“

Das ist ein wunderbarer und seit über 2000 Jahren richtiger Satz, der aber vielleicht gerade darum Gefahr läuft, wirkungslos an uns vorüberzugehen.


Oder hat es damit zu tun, dass wir uns gerne an das erinnern, was Gott tut, aber eben nicht hören wollen, was wir tun sollen? Weihnachten freuen wir uns, dass Gott in Christus Mensch geworden ist, zu Ostern feiern wir seinen Sieg über den Tod. Beides aber wurde um unseretwillen vollbracht und erreicht nur sein Ziel, wenn wir diese Wunder in unser Leben hineinlassen. Das nun soll zu Pfingsten geschehen.

Petrus verlangt vom Menschen, dass er Buße tut und sich taufen lässt. Buße ist ein altertümliches Wort, das sich leider sehr nach „Sack und Asche“ anhört. Gemeint ist aber, dass wir umkehren sollen, dass wir die Richtung ändern sollen, zunächst unsere Blickrichtung und dann die unseres ganzen Wesens. Der Mensch soll auf Christus, den Herrn und Erlöser der Welt blicken, sich zu ihm bekennen und sich in seinem Namen taufen lassen. „So wird er empfangen die Gabe des Heiligen Geistes“, so spricht Petrus.

Was haben wir nun von diesem Geist zu erwarten? Was ist das für ein Geist? Jesus gibt darauf selbst eine Antwort: Im Zusammenhang mit einer der wundersamen Speisungen hat der Herr eine Rede gehalten, in der er den Menschen ankündigte, dass sie zur Erlangung des Heils sein Fleisch essen und sein Blut würden trinken müssen. Insbesondere das Trinken des Blutes ist für die ganze jüdische Welt ein ungeheuerlicher Gedanke. Auch die Jünger rebellierten innerlich und sprachen untereinander: „Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören?“ Als Christus dieses Murren bemerkt fragt er: „Ärgert euch das?“

Und dann verkündet er: „Wie, wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, da er zuvor war?“ Und anschließend offenbart er: „Der Geist ist es, der da lebendig macht; das Fleisch ist zu nichts nütze. Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben.“


Hier stellt sich Christus in die Einheit mit dem Vater und Schöpfer aller Dinge. Gott hat durch sein Wort die Welt erschaffen. Sie ist nicht aus sich selbst, und er ist der Ursprung des Lebens. Weil das Leben in Gott seinen Ursprung hat, darum ist es heilig, und nur weil der Mensch zu seinem Ebenbilde gemacht ist, darum ist seine Würde zu achten. Wir Christen müssen das mit großer Deutlichkeit betonen, denn es schleicht sich der Irrtum ein, und wird inzwischen offen propagiert, die Würde des Menschen wäre nur darum zu achten, weil es so im Grundgesetz steht, und das ist ein tiefreichender Irrtum. Denn dieser Satz von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen ist nur darum ins Grundgesetz gelangt, weil seinen Vätern und Müttern dieser Zusammenhang der Gottesebenbildlichkeit noch ganz selbstverständlich war. Gerät aber er in Vergessenheit, dann bleibt nichts übrig als ein bloßes Stück Papier.

Nur der göttliche Ursprung macht die Heiligkeit der Welt und des Lebens aus. Geht darum mit wachen Augen durch den Tag, und es werden euch überall Wunder begegnen, und das Leben ist das größte Wunder. In der Natur drängt alles zum Leben, entfaltet sich in ungebändigter Pracht. Es gibt nichts Schöneres, nichts Größeres, nichts Wunderbareres als die Formen, in denen sich das Leben entfaltet. Als Christen glauben wir, dass Gott das alles aus seinem Wort, mit seinem Atem hervorgebracht hat. Ganz plastisch beschreibt die Schöpfungsgeschichte, wie Gott dem von Erde genommenen Menschen seinen Odem in die Nase geblasen hat. Hier hat er empfangen beides – Geist und Lebendigkeit – und sie sind ihm direkt aus dem Wesen Gottes gekommen, denn Gott selbst ist der Lebendige, er ist das Leben.


Nur in diese eine Richtung stimmt dieser Satz. Wir dürfen nicht sagen, das Leben wäre Gott, denn dann fielen wir zurück in eine ungeistige Naturreligion, die sich im verströmenden Leben verliert und gerade keine Antwort gibt auf die Frage nach dem, was wir Menschen sind. Wir würden aus dem Blick verlieren, dass der Mensch nicht nur aus dem Lebendigen hervorgegangen, sondern auch auf verstörende Weise Antwort auf das Schöpfungswort Gottes ist. Gott hat ihm darum auch eine völlige Freiheit anvertraut. Erst in dieser Freiheit war ihm nicht nur theoretisch möglich, sich gegen seinen Schöpfer zu stellen und Gott selbst zu leugnen. Das allein ist es, was die Kirche Sünde nennt. Sünde ist selbst gesuchte Gottesferne. Sünde ist Spiel mit dem Abgrund des Todes. Sünde ist Abkehr von der Wahrheit.

Gott konnte und wollte nun die Freiheit des Menschen nicht widerrufen. Gott suchte und ging in Christus den Weg zu uns. Er wurde selbst Mensch, um sich dem Menschen zu versöhnen. Er schenkte dem in die Sünde der Gottesferne gefallenen Menschen tatsächlich neues Leben, denn „die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben“, so spricht der Herr. Neben das Schöpfungswort Gottes tritt in gleicher Macht das Wort der Erlösung durch Christus. Vielleicht muss man sogar sagen in das Schöpfungswort, das eben nicht widerrufen wurde, tritt das Wort der Erlösung durch Christus.


So, wie nun in jedem Grashalm, in jedem Blatt des Baumes, in jedem Wesen, in jedem Menschen der lebenspendende Atem Gottes gegenwärtig ist, so weht auch der Geist der Erlösung, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, durch die Welt. Dieser Geist ist es, der lebendig macht. So spricht denn Paulus auch vom ängstlichen Harren der Kreatur, in dem auf die Offenbarung der Kinder Gottes gewartet wird. Und er spricht von der großen Hoffnung aller Kreatur darauf, von dem Dienst des vergänglichen Wesens frei zu werden. Ohne dieses Harren und Hoffen bleibt dem Menschen nur die Eitelkeit mit der er sein auch noch so bedeutungsloses Tun aufblasen muss, um sich vor der Welt groß zu machen. Nicht umsonst ist genau das der bestimmende Charakterzug unserer Gegenwart.

Die Schöpfung aber hat allen Dingen und allen Wesen ihre eigene Ordnung eingeprägt. Niemand kann sich ihr entziehen. Auch die menschliche Freiheit ist Teil dieser Ordnung. Die Erlösung aber bedarf auch der geistlichen Antwort des Menschen, die im Bekenntnis des Glaubens gegeben wird. Insofern erhebt sich über die Schöpfung das Gebäude der Kirche, deren Urbild und Mutter Maria ist. Sie hat durch ihr bedingungsloses Ja den Grund für eine erneuerte Hinwendung zu Gott gelegt.  Und sie hat uns den Hinweis gegeben: Was er euch sagt, das tut. Aus gutem Grund sind so viele Kirchen, auch unsere Stiftskirche hier in Bützow, ihrem Namen geweiht.

Seit dem ersten Pfingsten wird die Schöpfung gleichsam durch die Kirche überwölbt, man könnte auch sagen, das Sein der Dinge vollendet sich im Geist. Der Geist Gottes ist ausgegossen über allen Menschen und nimmt von uns Besitz, wenn wir auch nur mit stammelnden Worten sprechen: Abba, Vater. Und wenn wir uns an Christus wenden mit dem Bekenntnis: Mein Herr und mein Gott!

Es ist der Glaube der Kirche, dass sich der Mensch erst in diesem Bekenntnis ganz zum Menschen aufrichtet. In der Anrufung Gottes und nur in ihr greift der Mensch über die ihm vorstellbare Welt hinaus und vertraut sich dem an, was er hofft.

Pfingsten ist das große Fest unserer Hoffnung. Darum kann man den am Anfang formulierten Gedanken, dass dieses Fest die Antwort auf die Frage ist, was wir als Menschen tun sollen, noch einmal so zusammenfassen: Die Bestimmung des Menschen ist es, auf das Handeln Gottes zu antworten. Schöpfung, Geschichte und Erlösung wachsen aus Wort und Antwort zwischen Gott und Mensch. Aus ihnen ergibt sich die ewige Melodie des Kosmos.

Es ist Pfingsten geworden. Gott gießt seinen Geist in eure Herzen und lässt sie übergehen und uns sprechen: Komm du Geist der Wahrheit.

„Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und aller, die ferne sind, welche Gott, unser HERR, herzurufen wird.“

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.

Amen
Thomas Roloff

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