Dienstag, 23. April 2013

Über das Ernsthafte von Dichtung



William Wordsworth:

I wandered Lonely As A Cloud


I wandered lonely as a cloud
That floats on high o'er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host, of golden daffodils;
Beside the lake, beneath the trees,
Fluttering and dancing in the breeze.

Continuous as the stars that shine
And twinkle on the milky way,
They stretched in never-ending line
Along the margin of a bay:
Ten thousand saw I at a glance,
Tossing their heads in sprightly dance.

The waves beside them danced; but they
Out-did the sparkling waves in glee:
A poet could not but be gay,
In such a jocund company:
I gazed--and gazed--but little thought
What wealth the show to me had brought:

For oft, when on my couch I lie
In vacant or in pensive mood,
They flash upon that inward eye
Which is the bliss of solitude;
And then my heart with pleasure fills,
And dances with the daffodils.


Ich wandert' einsam wie die Wolk' 

Ich wandert' einsam wie die Wolk',
Die über Tal und Hügel zieht.
Da sah ich, daß ein ganzes Volk -
Ein Heer! - von Goldnarzissen blüht;
Am See, wo Steine moosig sind,
da tanzen flatternd sie im Wind.

Wie lange Reih'n von Sternen, die
Hell schimmern auf im Überschwang,
So zieht der Blumen Galaxie
Dem Ufer einer Bucht entlang:
Zehntausend Blumen sieht mein Blick
Im Tanz, den Kopf gewandt zurück.

Gleich ihnen, Wellen tanzen heut,
Doch Blumen tanzen froher noch.
Der Dichter selbst fühlt Fröhlichkeit
In solcher heit'ren Menge doch.
So starrt' ich - starrt' - doch merkt' ich nicht
Welch' Schatz mir brachte diese Sicht:

Lieg' jetzt ich auf der Couch allein,
Oft still verträumt, oft denkbereit,
Erscheinen sie dem Auge mein
Als Wonne meiner Einsamkeit:
Dann füllt mein Herz mit Glück sich ganz
Als Tänzer im Narzissentanz.

Translation / Übersetzung



"Daffodils" read by Jeremy Irons

William Wordsworth starb an einem 23. April im Jahre 1850. Für mich ein willkommener Anlaß, noch einmal dieses Gedicht mit der Übersetzung von Prof. Aue zu bringen. Dazu eine angenehm anzuhörende Interpretation von Jeremy Irons.

Im englischen Sprachraum gehört dieser Text, so lese ich, zu den Dingen, mit denen schon Generationen von Schülern gequält wurden. Vergleichbar vielleicht mit diversem von unserem Herrn Goethe. Aber als deutschsprachiger Mensch hat man da halt die Gnade des unbefangeneren Lesens.

Ursprünglich ging meine Intention dahin, ein wenig darüber zu räsonieren, was wir an der Dichtung haben, wenn sie denn diesen Namen verdient; wie sie dem Bau unserer Seele gewissermaßen Querstreben einzieht, so daß bei äußeren Erschütterungen doch alles so leidlich zusammenhält, wie sie uns folglich Halt gibt und eine Ahnung tieferen Daseins, wie sie uns über den Augenblick hinweg hebt und in die Weite eines unbegrenzten Horizonts eintauchen läßt.

Aber nein, wir wollen prosaisch weiterreden, z. B. mit:

„Das Meer bei Nacht ist eine edle Erscheinung; in kurzen Intervallen tost & stürzt an der Seite des Schiffes eine schöne weiße Wolke aus Schaum, und Funken tanzen und sprühen darin & von Zeit zu Zeit löst sich etwas Schaum und fliegt voller Sternenhaufen davon & entschwindet dem Blick wie ein Trupp von Tartaren in der Wüste!“

Diese „prosaische“ Bemerkung stammt aus einem Brief von Wordsworth vom 18. Sept. 1798 an Mrs. S.T. Coleridge, gefunden habe ich es auf www.william-wordsworth.de, einer faszinierenden und äußerst empfehlenswerten Sammlung zu Wordsworth, zusammengetragen von Herrn Dietrich H. Fischer. Der Brief entstand bei einer Deutschlandreise, danach stoßen wir auf eine eher unfreundliche Bemerkung zu Hamburg, sehr unterhaltsam das alles. Ich wußte nicht, wie sehr sich Wordsworth mit Deutschland beschäftigt hat, ich weiß überhaupt zu wenig von ihm. Es gibt sogar ein Gedicht über den Tod des „Brave Schill!“, es endet mit:

Alas! it may not be: for earthly fame
Is Fortune's frail dependant; yet there lives
A Judge, who, as man claims by merit, gives;
To whose all-pondering mind a noble aim,
Faithfully kept, is as a noble deed;
In whose pure sight all virtue doth succeed.

Der ganze Text samt einer Übersetzung findet sich an diesem Ort. Ebenfalls bemerkenswert ein längerer Essay über das politische Denken von William Wordsworth anläßlich seiner „Tiroler Sonette“, er führt dort gute Gründe an, warum er, William Wordsworth, den Herrn Buonaparte verabscheut, aber man lese selbst:

„'Was tun sich die Tiroler mit ihrem heldenhaften Widerstand bloß an? - so ruft der eine aus. Für was kämpfen die Spanier eigentlich? so ein anderer - als ob der Mensch nur dazu geschaffen wäre, über der Erde zu fressen und [dann unter der Erde] gefressen zu werden, als ob wir keine Würde hätten, die es zu bewahren gilt, kein Gewissen, dem zu gehorchen ist, als wenn Unsterblichkeit nicht in Aussicht stünde.'“

Erfreulich dieser gänzliche Mangel an britischer Selbstgefälligkeit, mit anderen Worten, Wordsworth zeigt wahrhaft die einzig angemessene Art geistiger Souveränität (ebenfalls gefunden auf besagter Seite), bei der man von dem, in das man nun einmal hinein gestolpert ist, nicht gänzlich verschlungen wird, dank selbsterworbener Grundsätze, Nachdenkens etc. etc.:

„Ich möchte Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland als unabhängige Nationen geformt sehen, und ich habe kein Verlangen, daß Frankreichs Macht weiter beschnitten wird, als es für dieses Ziel nötig ist. Wehe dem Land, dessen militärischer Macht niemand widerstehen kann!“


Es mag unpassend wirken, jetzt „beiläufig“ auch noch Albrecht Georg Haushofer erwähnen zu wollen, der am 23. April 1945 ermordet wurde. Ich erinnerte mich, wie der Herr Morgenländer einmal sehr schön über dessen Moabiter Sonette geschrieben hatte, die sich merkwürdigerweise seit Jahrzehnten in meinem Besitz befinden. Das alles ist wahrlich ein weites Feld, das geistige Behaupten im Angesicht der Barbarei, das Festhalten an dem, was gerade zwischen den Händen zerfällt, eine Art von zersplitternder Hoffnung, eine Art von geistesgestützter Hoffnung über das Nichts hinaus. Doch genug davon, hier die letzten Verse aus seinem „Boëthius“:

Sein Tod hat keinen Untergang gewendet -
erloschen war die Kraft der alten Welt. -
Sein Tod hat nur den Untergang erhellt.

Und vielen hat er später Trost gespendet, 
da seines Beispiels hohe Hilfe spürt,
wen gleiches Los auf gleiche Bahnen führt.


nachgetragen am 28. April

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