Montag, 4. Februar 2013

"Sagen ist der Weiber Ruhm/ Thun der Männer Eigenthum" - Frh. v. Abschatz &

Parmigianino, hier gefunden

Die Verse des Freiherrn von Abschatz beschreiben eher ein lieblich überschaubares als dramatisch bewegtes Gewässer. Dabei war er persönlich ehrenhaft und angesehen, ein aufrechter schlesischer Lutheraner, aber nicht ohne Witz, wie wir etwa dem nachfolgenden Gedichtanfang entnehmen können (dabei war er wohl durchaus glücklich verheiratet):

Nichts/ was des Himmels Zorn auff unsre Schultern legt/
Was unsre Zärtligkeit mit Furcht und Schrecken trägt/
Nicht Sorge/ Leyd und Qual/ nicht Kummer/ Angst und Wehe/
Nicht Armutt/ Streit und Haß/ nicht Brand noch Wassers-Noth/
Nicht Hitze/ Kält und Frost/ nicht Hunger/ Mord und Tod/
Gleicht sich an Grausamkeit dem schweren Joch der Ehe...

Der Rest findet sich hier, aber man sei gewarnt, es zieht sich, sie hatten einfach viel Zeit damals. Hans Aßmann Freiherr von Abschatz wurde 1646 in Breslau geboren und starb 1699, ebenso in Schlesien, in Liegnitz, er ist einer der späteren Vetreter deutscher Barocklyrik (Biographisches findet man an diesem und diesem Ort).  Ich bekam einfach ein schlechtes Gewissen, diese von mir so geschätzte Literaturepoche jüngst so sehr vernachlässigt zu haben (u.a.).

Parmigianino - The Vision of St Jerome

Der Schütze

Ein Bogen ist mein Leben/
Mein Thun der Pfeil/ die Sehne mein Entschluß/
Die Ehre soll das Ziel/ ich will den Schützen geben/
Nach bester Mögligkeit richt ich den Schuß/
Trifft er nicht nach Verlangen an/
So trösten mich Gewissen und Gedult/
Dem Glücke bleibt die Schuld:
Mein Absehn geht auffs rechte Ziel/
Der Bogen breche wenn er will/
Ich spann ihn/ weil ich Athem holen kan.

Parmigianino - Huntsmen sounding his horn with a staghunt in the distance

Ein berührendes Lob der Freundschaft stimmt er mit den nachfolgenden Versen an (so ganz im Gegensatz zu den harschen Eingangsworten über die Ehe, obwohl auch jene an anderer Stelle wieder aufgelöst werden, wohl mehr eine Art Rollenspiel folglich):

Das Glücke wendet sich/ der Ehre Rauch verschwindet/
Man kömmt um Geld und Gutt/ das schöne Weib wird alt/
Ein Freund bleibt wie er ist. Nicht Alter/ noch Gewalt/
Nicht Neyd noch Glücke trennt/ was Lieb und Treue bindet:
Was die Natur verknüpfft/ wird offtermahls zurissen/
Was Freundschafft feste macht/ wird ewig halten müssen.

In der Tat, die Bande des Natürlichen sind oft weit weniger verläßlich, als sie versprechen, und dankbar darf sich fühlen, wer aus eigenem Bemühen etwas vertraut erhalten konnte. Und dann stutzt man ganz erheblich bei den nachfolgenden Versen - zur Erläuterung, es gibt diese ausgeleierten Floskeln, die uns ein Leben lang belästigen, wie z.B. - „Prost! So jung kommen wir nicht wieder zusammen!“, und was müssen wir lesen:

Ein Glaß

Man lösche/ weil es geht/ des Durstes strenge Flammen/
Wir kommen doch so jung nicht wiederum zusammen.

Manches erhält sich offenkundig unausrottbar über die Jahrhunderte.

Und wo wir gerade sowieso nicht unbedingt auf den Höhenzügen des Geistes verweilen, will ich nicht alles vorenthalten, was er aus dem Spruchbeutel über uns ausszuchütten vermag,. Wir beginnen noch nahezu philosophisch, aber das ändert sich bald:

Nimm nicht vor eigen an/ was vom Gelücke kümmt/
Weil/ was der Morgen giebt/ der Abend öffters nimmt.

Wie ich heute bin gesinnt/ warum war ichs nicht vorhin?
Oder/ warum bin ich nicht/ was ich vor gewesen bin!

Nur die Gütter des Gemüttes bleiben fest und unverrückt:
Von des schönen Leibes Blüte wird was täglich abgezwickt.

Der Ton wechselt:

Nicht leicht ohne Flöh auffsteht
Wer mit Hunden schlaffen geht.

Je höher der Affe die Leiter ansteigt/
Je mehr er die Blöße des Hintersten zeigt.

Besser Wolle weggeschoren/
Als das gantze Schaf verlohren.

Katze zieh die Handschuh aus/
Sonsten fängst du keine Maus.

Sagen ist der Weiber Ruhm/
Thun der Männer Eigenthum.

Langer Röcke/ kurtzer Sinnen
Wird man bey den Weibern innen:
Minder als des Mondes Schein
Können sie beständig seyn/
Ja heist öffters ihr Verneinen/
Gutt gemeynt ihr Böse-scheinen.

Auch über die Nachbarvölker hat er seine festgefügte Meinung:

Gemeines Sprüchwort schäzt den Mann aus seinem Gange/
Den Groschen nach dem Klang/ und Vögel vom Gesange:
Der Frantzmann bricht die Red/ hält Sylb und Hertz zurücke/
Der Welsche fälscht das Wort/ steckt insgemein voll Tücke/
Ein stoltzer Spanier wird Pracht in Worten führen/
Der Britten Wanckelmutt läst ihre Zunge spüren:
Zum Zeichen/ daß man deutsch und unverändert bleibt/
So schreibt man/ wie man redt/ und redet wie man schreibt.

Obwohl von uraltem schlesischem Adel, war ihm Standesdünkel gänzlich fremd, was nicht heißt, daß ihm Wert und Unterscheidung gleichgültig gewesen wären:

Die Natur läst ihre Gunst gegen alle gleich erscheinen/
Tugend macht den Unterscheid zwischen Edlen und Gemeinen.

Wer einen Edelmann ohn eigne Tugend schaut/
Der sieht ein leeres Hauß auff fremden Grund gebaut.

Ahnen die man rechnen kan/
Und was wir nicht selbst gethan/
Schätz ich für entlehnten Ruhm/
Nicht für wahres Eigenthum.

Des Pöbels ungewisser Sinn
Wanckt/ wie die Wellen/ her und hin.

Nicht schlaffen/ und dennoch liegen im Bette/
Vergebens erwarten was man gern hätte/
Treu dienen/ und kein Erkäntnis genießen/
Sind Dinge/ die einen auffs Sterben verdrießen.

Und schließlich:

Unwiederbringlich ist der edlen Zeit Verlust:
Drum schau bey Zeiten zu/ wo du die Zeit hinthust

Parmigianino - Portrait of a man with a Book

Petrarcha, Est aliquid bene qui meminit

Zwar das Gedächtnis ist ein Schatz von grossem Werth/
Doch wär es offtermahls viel besser nichts gedencken/
Als mit Erinnerung deß/ was uns widerfährt/
Sich täglich sonder Noth und Frucht auffs neue kräncken.

So tatsächlich seicht ist unser Freiherr denn doch wieder nicht, und allein über den Sinn des Erinnerns,  was er mit so scheinbar leichter Hand hier eben streifte, ließe sich wahrlich vieles ausführen.

Parmigianino - Pallas Athene
Und an Worten, wie den folgenden, können wir dann doch finden, daß wir es mit einem Dichter von ganz eigenem Tonfall zu tun haben:

Der gute Traum

Mein Glücke lacht/
Melinde spielt mit angenehmen Blicken/
Ihr holder Mund giebt Worte/ die entzücken/
Ich küsse sie bey tunckler Mitternacht/
Mein Glücke lacht.

Mir traumt wohl nicht:
Ich seh ihr Bild um meine Ruhstatt spielen/
Hör ihre Sprach/ und misse nichts als Fühlen.
Ach Schade/ daß das Beste noch gebricht!
Mir traumt wohl nicht.

Es wird wohl seyn:
Die Hoffnung speist nicht stets mit leeren Schalen.
Erblickt man nur der Morgenröthe Stralen/
So folget auch der nahen Sonne Schein.
Es wird wohl seyn.

Parmigianino - The Mystic Marriage of St Catherine

Meine Auswahl ist natürlich restlos willkürlich. Vor allem die geistlichen Gedichte habe ich gänzlich ausgelassen und von den verliebten nur eines gebracht. Es gibt viele andere. Man schaue, so man neugierig wurde, näher auf diesen Ort.

Ach übrigens stammen die Bilder, zu denen ich nur „Parmigianino“ anmerkte, von einem italienischen Maler (1503 – 1540), über den ich kürzlich gestolpert bin und der mich sofort faszinierte. Eigentlich hieß er Girolamo Francesco Maria Mazzola und hat mit unserem schlesischen Dichter nicht das geringste zu tun. Bei mehr als 100 Jahren zeitlicher Trennung wäre das auch verwunderlich.

Parmigianino - Bow-carving Amor

nachgetragen am 6. Februar

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