Sonntag, 20. November 2011

Ewigkeitssonntag


Herr Roloff wird heute diese Predigt halten, die ich meinen geschätzten Lesern nachfolgend zur Kenntnis geben will, nebst ein paar Bildern vom heutigen Morgen.

Predigt zum Ewigkeitssonntag Lk 12, 42-48

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserm Herren Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,
der uns heute zur Predigt aufgegebene Text ist die Antwort Jesu auf die Frage des Apostels Petrus: „Herr, sagst du dies Gleichnis zu uns oder zu allen?“ Jesus hatte zuvor mit den Worten, die wir als Wochenspruch gehört haben, „Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen“, zur Bereitschaft gemahnt und diese mit einem Knecht verglichen, der geduldig auf seinen Herren wartet und mit einem Hausherren, der, wenn er die Stunde wüsste, in der der Dieb käme, das Haus nicht unbewacht ließe.

Nun erst folgte die Frage Petri! Manch einer möchte in dieser Frage und in der Antwort des Herrn auf sie gerne eine besondere Verantwortung der Apostel begründen und leitet daraus rasch ein ganz spezielles Kirchenverständnis ab, in der sich dann notwendiger Weise vieles um das Verhältnis zwischen dem Priester und dem Laien, beziehungsweise zwischen dem Amt und dem Kirchenvolk, dreht. Als Protestant erkenne ich aber vielmehr eine Aussage über die Stellung des Christen in der Welt, über das Amt des Getauften gegenüber seinen Mitmenschen, und diese möchte ich heute erläutern.

Wir verfolgen zunächst eine Erörterung, die Jesus mit sich selbst anstellt. Auf die Frage: „Wer ist denn der treue und kluge Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, dass er ihnen zu rechter Zeit gebe, was ihnen gebührt?“, bekommen wir das von Christus häufiger genutzte Bild präsentiert von dem Herrn, der, aus welchen Gründen auch immer, für lange Zeit verreisen muss und darum jemanden braucht, der vertrauenswürdig ist und sich in der Zeit der Abwesenheit um seine Angelegenheiten kümmert. Was dann oft wirkt wie ein Nachdenken über unsere, also des Menschen, Verlassenheit in der Welt, soll doch nur besonders deutlich die Größe der übertragenen Aufgabe und das Ausmaß des Vertrauens unterstreichen, das der Herr hat. Die Aufgabe war schlicht umrissen mit den Worten, es soll den Menschen zur rechten Zeit gegeben werden, was ihnen gebührt.


Nun ist es schnell zu erraten, dass mit dieser ganzen Beschreibung die Situation des Menschen in der Welt eingefangen werden soll. Was tun, wenn Gott so fern und auch so schweigsam ist?

Hier schließt sich fast automatisch sofort die Frage an, was wird in der Zukunft geschehen? Jesus stellt zweierlei in Aussicht: Erfüllt der Mensch die Erwartung des Herrn, dann wird er nach dessen Wiederkunft belohnt und über alle Güter gesetzt werden. Wenn aber der Knecht beginnt, sich auf die Abwesenheit des Herren zu verlassen und darum Unrecht tut, zum Gewaltherrscher wird, isst, trinkt und sich vollsäuft, so wird der Herr unerwartet wiederkommen und den Mann grausam bestrafen.

Solange Menschen tief im Glauben verwurzelt sind und sich gleichsam ein gewisses Maß an kindlichem Vertrauen bewahrt haben, reicht dieser dargestellte unausweichliche Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen völlig aus, um mit sich selbst im Reinen zu sein.

Unsere Zeit aber ist leider so beschaffen, dass diese Erzählungen einfach als Ammenmärchen hingestellt werden, durch die unmündige Menschen erschreckt und dadurch in Schach gehalten werden sollen. Wer Unrecht tut, der wird schon irgendwann und mit Sicherheit nach dem Tode die gerechte Strafe dafür erhalten.


Darum müssen wir unsere Geschichte doch noch weiter untersuchen und dürfen es nicht bei der Frage belassen: - Was passiert in der Zukunft? -, sondern stellen die Frage: Was ist Zukunft?
Es hat unter uns Menschen die Vorstellung überhand gewonnen, dass die Zukunft schlicht das wäre, was sich aus der Gegenwart ergibt, so als wäre sie ein einfaches Fortschreiten dessen was ist, ein Werden und Vergehen, das sich an Tagen wie heute besonders nachvollziehbar bedenken lässt. Tatsächlich ist dieses Phänomen des steten Voranschreitens durch die Zeit wohl auch kaum von der Hand zu weisen. Alle Entwicklungstheorien haben sich diese Vorstellung darum auch zugrunde gelegt. Daher kommt dann auch die Rede davon, dass man die Zukunft gestalten kann. Mehr und mehr wird auch davon gesprochen, dass man Dinge und Systeme zukunftsfest machen muss. Zukunft wird da ausschließlich als etwas Machbares gedacht. Man kann dann schon zweifelhaft werden, weil jene, die die Ströme selbstgemachten Geldes nicht mehr beherrschen, dennoch nicht aufgeben, sogar das Weltklima steuern zu wollen.

Zum Glück verrät uns das eigentliche Wort Zukunft aber auch noch etwas ganz anderes. Zukunft, das Zukünftige ist ein Begriff, mit dem wir ahnen, dass etwas oder jemand auf uns zu kommt. Wenn man nun diesen Gedanken ganz und gar an sein Ende denkt, dann wird man vielleicht erfassen, dass damit nichts gemeint sein kann, was mit unserer Welt, mit ihren Verhältnissen und den in ihr vorkommenden Dingen zu tun haben kann, weil das dann zwingend bedeuten würde, dass es sich aus dieser Welt und ihrem JETZT ergeben hat, und also nicht in der Weise zukünftig sein kann, wie es hier gemeint ist. Das radikal Zukünftige ist nur Gott. Gott ist der ganz und gar Zukünftige. Es ist gleichsam das Wesen Gottes, zukünftig zu sein und darum auch nicht in dem Zusammenhang unserer Zeit zu stehen. In einer gewissen Weise kann man auch sagen, Gottes Zukünftigkeit ist Ausdruck seiner Ewigkeit.

Dieses Sein Gottes erst verwandelt das, was wir erleben, in Geschichte. Nur weil Gott als der ganz und gar Zukünftige auf uns zukommt wird Geschichte. Ohne dieses wäre, was wir erleben, sozusagen ein bloßer Prozess des immer Gleichen.


Die so kluge moderne Zeit hat sich mit diesem bloßen banalen Prozess abgefunden. Darum steht sie auch in dem Zwang, gleichsam um die Spannung zu erhalten, diese Prozesse einer immer weiteren Vervollkommnung zu dramatisieren, und zum eigentlichen Sinn menschlicher Existenz zu erklären. Dass sich hier ein Irrtum verbirgt merkt man eigentlich schnell, wenn man erkennt, dass das in der Konsequenz auch immer bedeutet, irgendwann den Menschen zu vervollkommnen. Moralischer Rigorismus und Askese waren u. U. in der Vergangenheit Ausdruck dieses Irrglaubens, und der ewig junge, schön operierte, gut meinende Mensch ist es vielleicht heute. Das ist das traurige Ergebnis, wenn der Mensch alles machen, alles selbst hervorbringen will und nichts mehr erwarten kann.

Wie aber finde ich nun eine Beziehung zu dem was absolut Zukünftig ist? Der Glaube ist schlicht die Weise, in der wir erwarten, was kommt. Darum ist auch nur im Glauben das Wesen der Geschichte erkennbar. Dem Unglauben wird oder bleibt alles Evolution.

Man kann sagen, so wie wir nur im Glauben an den Schöpfer eine Vorstellung vom Ursprung der Dinge bekommen, so erlangen wir durch den Glauben an den Kommenden Gewissheit über die Zukunft, über das Zukünftige.

Darum vielleicht, um zu unserem Lukastext zurückzukehren, kann der Herr so kurz und knapp sagen, dass das Amt jenes Menschen darin besteht „ihnen zu rechter Zeit zu geben, was ihnen gebührt“. Es ist hier keine detaillierte Beschreibung dessen notwendig, wem wann was zusteht. Christus verbreitet kein Regelwerk, kein Gesetz und schon gar keine Ideologie davon, wie der Mensch zur rechten Zeit das Richtige gibt, wie er sich selbst erlöst, sondern er ist der kommende Erlöser. Der Mensch also, der sich auf ihn richtet, der ihn im Glauben erwartet, der ist damit nicht einem bedrückenden Regelwerk unterworfen, sondern frei, zu tun, was gut ist, weil er dem Erlöser begegnet.


Wer sich aber von Christus abwendet, mit seinem Kommen, seinem Zukünftigsein nicht mehr rechnet, der wird erleben, dass er erst die Richtung verliert und dann nur noch um sich selbst zu kreisen beginnt. Das ist der Anfang des eigentlichen Egoismus. Aus dieser Selbstsucht heraus beginnt der Mensch diejenigen zu schlagen, die ihm anvertraut sind. Machen wir uns nichts vor, Grausamkeit ist auch immer eine Folge selbst gesuchter Verlassenheit.

Christus aber lehrt das Warten auf die Begegnung mit dem wiederkommenden Herrn. Alle dem Menschen gemäßen Formen des Lebens suchen darum eben auch immer nach der Begegnung mit dem Anderen, in dem ich mich selbst finde und mich finden lasse. Aber erst die Erwartung des ganz und gar Zukünftigen gibt meinem Leben Halt und Ziel. Es ist nun das Staunen erregende, das wir in unserem Glauben, der das Warten auf den Zukünftigen ist, eben auch finden können, dass er in Christus auch bereits der Gekommene ist, der durch sein Auferstehen unser Menschsein in die Zukunft Gottes hineingetragen hat. Und er ist auch, indem wir uns auf ihn richten, der uns bereits jetzt Begleitende. Darin erschließt sich der Umstand, dass uns in Christus immer Gabe und Forderung zugleich begegnen, weil er mit sich die Forderung bereits erfüllt. Dort, wo sich das ganz und gar Zukünftige und unser Jetzt bereits begegnen, nur dort entsteht das Wunder. Das ist der Ort an dem deutlich wird, was die Kirche meint, wenn sie verlangt zu hoffen, wo nichts mehr zu hoffen ist. Etwas erwarten, wo aus allem was wir kennen und erkennen, sehen und erleben nichts mehr zu erwarten ist. Diese Befähigung ist uns im Glauben anvertraut, damit wir sie der Welt kund tun. Das ist die Stellung jedes getauften Christen in der Welt.

Darum kann Christus schließen: „Denn welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und welchem viel anbefohlen ist, von dem wird man viel fordern.“

Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.
Thomas Roloff

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