Samstag, 30. Juli 2011

Thomas Gray

Der Blogger Jay hat sehr unterhaltsam beschrieben, warum er Thomas Gray eigentlich nicht leiden mag, auch wenn der eines der bekanntesten Gedichte englischer Sprache geschrieben hat. Johann Gottfried Seume hat davon eine Übersetzung verfertigt, und da mich diese unordentlichen Belege im Web immer etwas stören, habe ich mir die kleine Mühe gemacht, bei ihm nachzulesen, das Ergebnis folgt im Anschluß:

Thomas Gray

Elegie, geschrieben auf einem Dorfkirchhof

Die Abendglocke tönt den Tag zur Ruh,
Die Heerden schleichen blökend vom Revier;
Der Pflüger rudert schwer der Hütte zu.
Und läßt die Welt der Dunkelheit und mir.

Der Glanz der Gegend schmilzt nun Zug für Zug,
Und tiefe Feierstille hält die Luft;
Der Käfer dröhnt nur dort noch seinen Flug,
Wo Schlummerklang zum fernen Pfürche ruft.

Nur dort tönts noch durch alte Rudera,
Wo es der Eule Murrsinn Lunen klagt,
Daß noch ein Wandrer, ihrer Grotte nah,
Ihr ödes Heiligtum zu stören wagt.

An dieser Ulme, diesem Eschenbaum,
Wo sich der Grund in Moderhügeln hebt,
Ruhn rohe Ahnen in dem engen Raum,
Die in dem kleinen Dörfchen einst gelebt.

Des Morgens Balsamduft am Lindengang.
Vom Binsendach der Schwalbe Wirbellauf,
Des Hahnes Krähn, des Hornes Wiederklang
Weckt sie nicht mehr vom kleinen Lager auf.

Für dich brennt nun der gute Herd nicht mehr;
Kein Hausweib sorgt für deinen Abendgruß;
Kein Knabe lauscht des Vaters Wiederkehr.
Und klimmt mit Neid am Knie um einen Kuß.

Oft sank das Korn in ihrer Eisenhand,
Oft riß das Brachfeld unter ihrem Pflug:
Wie fröhlich trieb ihr Fuhrwerk über Land!
Wie fiel der Wald, wenn ihre Sehne schlug!

Verspotte nie der Ehrgeiz ihre Müh,
Ihr unbekanntes Glück, ihr kleines Fest;
Hohnlächle nie die Größe über sie,
Wenn sie das Buch der Armuth lesen läßt.

Der Wappen Prahlerey, der Pomp der Macht,
Was je der Reichtum und was Schönheit gab,
Sinkt unerlöslich hin in Eine Nacht:
Der Pfad der Ehre führet nur ins Grab.

Ihr Stolzen, rechnet nicht es ihnen an,
Wenn auf ihr Grab der Ruf nicht Marmor hebt,
Wo durch das Chorgewölbe himmelan
Des Lobes Note schwellend wieder bebt!

Ruft je der Urne, ruft der Büste Laub
Mit Künstlergeist den fliehnden Hauch empor?
Belebt des Ruhmes Stimme je den Staub?
Rührt Schmeichelei des Todes kaltes Ohr?

Vielleicht in diesem dunkeln Winkel ruht
Ein Herz, auch einst von Götterfeuer warm;
Und Hände für der Laute Freudenglut,
Und für des Scepters Schwung ein Heldenarm.

Doch Wissenschaft entrollt ihr großes Buch,
Reich von der Zeiten Raub, nicht ihrem Blick:
Der starre Mangel hemmt den Kraftversuch,
Und drängt der Seele Schöpferstrom zurück.

Des Meeres fadenloser Boden hält
So manche Perle, deren Farbe glüht;
Und manches Lenzes schönste Blume fällt,
Die ungenossen in der Wildniß blüht.

Hier schläft vielleicht ein Hampden, dessen Muth
Dem kleinen Dorftyrannen widerstand;
Ein stummer Milton unbekannter Glut,
Ein Kromwell, schuldlos an dem Vaterland!

Ihr Loos war nicht des Beyfalls Jubelton,
Nicht in dem Schmerz die stolze Apathie;
Sie sah'n sich nicht im Blicke der Nation,
Der ihrer Weisheit Überfluß verlieh.

Ihr Tugendflug, ihr Lasterlauf begränzt,
Verbot ihr Loos den Weg zu einem Thron,
Der von dem Blute der Erschlagnen glänzt,
Oft allem wahren Menschensinne Hohn.

Gewissensangst war ihnen Strahlenlicht,
Erstickt war nie die Röte holder Scham;
Sie opferten dem Stolz der Schwelger nicht
Mit Weihrauch, den man frech der Muse nahm.

Fern von des Thorenhausens niederm Zank,
Verirrte nie sich ihre Nüchternheit;
Geräuschlos wandelten sie ihren Gang
Durch's kühle stille Tal der Lebenszeit.

Ein kleines Denkmahl, das als Ehrenschild
Nur ihren Staub vor Schmähsucht decken soll,
Ein harter Reim, ein schlecht geformtes Bild
Verlangen eines Seufzers leichten Zoll.

Ihr Nam', ihr Jahr von ungelehrter Hand,
Ist ihnen mehr als Ruhm der Dichtung werth;
Und ländlich zieht die Muse rund am Rand
Den Spruch der Bibel, welcher sterben lehrt.

Am Freunde hing der Geist noch, als er schied,
Die Zähre that noch dunkeln Augen gut;
Auch aus dem Grabe ruft Natur ihr Lied,
Und in der Asche lebt die alte Glut.

Von mir, der ich von meinen Brüdern hier
Ganz ohne Kunst das kleine Lied gesagt,
Wenn einsam in Betrachtungen nach mir
Einst eine reinverwandte Seele fragt,

Von mir spricht einst vielleicht ein greiser Mann:
"Oft, wenn das Morgenrot im Osten hing,
Sahn wir ihn, wie er schnell den Berg hinan
Der Morgensonn‘ im Tau entgegen ging.

Dort, wo die Buche, deren Wurzel weit
Und hoch sich windet, an dem Ufer nickt,
Lag er am Mittag mit Behaglichkeit
Lang über jenen Kieselbach gebückt.

Verächtlich lächelnd schlich er dort herum
Am Walde, Grillen murmelnd und betrübt,
Wehmüthig, wie verloren, bleich und stumm,
Wie einer, welcher ohne Hoffnung liebt.

Einst sah ich früh ihn an dem Hügel nicht,
Nicht auf der Heide, nicht am Lieblingsbaum,
Noch mißt ich ihn am zweyten Morgenlicht
An seinem Bach und an des Waldes Saum.

Den dritten Tag erschien ein Leichenzug,
Der langsam ihn den Kirchengang herab
Mit Totenmelodie zur Ruhe trug;
Komm, lies; dort deckt ein kleiner Stein sein Grab."

Grabschrift

Sanft legt sein Haupt hier in der Erde Schooß
Ein Jüngling, der nie Glück und Ruhm gekannt;
Der Muse Lächeln war sein bestes Loos,
Und Schwermut hat zum Liebling ihn ernannt.

Groß war sein Herz und seine Seele schlicht;
Des lohnt' ihm auch des Himmels Güte sehr.
Mit Armen weint' er, und mehr konnt‘ er nicht;
Es ward ein Freund ihm, und er bat nicht mehr.

Sucht sein Verdienst nicht weiter darzuthun,
Gebt seine Schwachheit nicht dem Tadler bloß;
Laßt beide sie in banger Hoffnung ruhn
In seines Vaters, seines Gottes Schooß.

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