Freitag, 1. April 2011

Hafis II


Hafis: „Unwiderstehliche Schönheit“
vertont von Viktor Ullmann (1898-1944)

Das obige Lied ist das 3. Stück „Unwiderstehliche Schönheit“ aus dem „Opus 30 - Liederbuch des Hafis für Baß und Klavier“ von Viktor Ullmann, der 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet worden ist. Bis gestern (ich schreibe diesen Beitrag am nachfolgenden Tag zu Ende) war mir dieser Komponist gänzlich unbekannt. Er hat 4 Gedichte des persischen Dichters, von dem hier schon einmal die Rede war, vertont. Da der Interpret (Burkhard Kehring) zwar ausdrucksstark, aber auch, sagen wir, etwas übertrieben pastos singt, bei www.recmusic.org findet sich der Text, übrigens eine Schatztruhe von Website, so nebenbei gesagt.

Und wo ich gerade bei Links bin, will ich auch noch den YinYang Media Verlag nennen und diese verdienstvolle Seite, nicht nur zu orientalischer Lyrik, wie schon der Name andeutet - www.deutsche-liebeslyrik.de (man findet dort eine ziemlich umfassende Sammlung von Übersetzungen zu Hafis) - und letztendlich ein Orientmagazin - http://www.soukmagazine.de. Mir bis gestern auch völlig unbekannt, aber ich konnte bei der Veranstaltung, die den Anlaß für diesen Beitrag bildet, einem freundlichen und wachen jungen Mann begegnen, der sich als Mitautor dieses Magazins über den heutigen Orient zu erkennen gab. Beim flüchtigen virtuellen Blättern ist mir jedenfalls nichts aufgefallen, was einer Empfehlung widersprechen würde.

Er hatte übrigens eine interessante Beobachtung mitzuteilen. Als er wohl einen längeren Aufenthalt in Persien hatte, fand er in jedem Haushalt neben dem Koran eine Ausgabe der Werke des Hafis (oder Hafez), und rezitiert wurde alsbald – Hafis. Ich gestehe, daß ich diese Anteilnahme und Verehrung zwar sympathisch finde, aber nicht sofort und gänzlich nachvollziehen konnte, was zweifelsohne an mir und nicht am Dichter liegt. Andere waren da enthusiastischer, wie etwa Goethe, der sich von ihm zu seinem „Westöstlichen Divan“ inspirieren ließ und dazu anmerkte: „Diese freundliche Beschäftigung half mir über bedenkliche Zeiten hinweg und ließ mich zuletzt die Früchte des errungenen Friedens aufs angenehmste genießen." Um ihn mit einem Stück daraus zu zitieren:

Unbegrenzt

Daß du nicht enden kannst, das macht dich groß,
Und daß du nie beginnst, das ist dein Los.
Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,
Anfang und Ende immerfort dasselbe,
Und, was die Mitte bringt, ist offenbar
Das, was zu Ende bleibt und Anfangs war.

Du bist der Freuden echte Dichterquelle
Und ungezählt entfließt dir Well' auf Welle.
Zum Küssen stets bereiter Mund,
Ein Brustgesang, der lieblich fließet,
Zum Trinken stets gereizter Schlund,
Ein gutes Herz, das sich ergießet.

Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken,
Das soll mein Stolz, mein Leben sein.

Nun töne Lied mit eignem Feuer!
Denn du bist älter, du bist neuer.


Und um den persischen Dichter auch selbst noch einmal zu Wort kommen zu lassen:

Wo ist der Ort, an dem du weilst?
An diesem Orte will ich sterben.
Kein andrer Port auf wildem Meer;
In diesem Porte will ich sterben.

Es läßt Karun von seinem Gold,
Der Reiche nicht von seinem Horte;
Wo wäre mir ein Hort, wie du?
Bei diesem Horte will ich sterben.

Und wenn du dich vor mir verbirgst,
Und wenn du deine Pforte schließest,
An dieser Pforte lager' ich,
An dieser Pforte will ich sterben.

Das letzte Wort aus meinem Mund,
Was wird es sein? Dein süßer Name.
Wie fiele mir ein andres ein?
Mit diesem Worte will ich sterben.

Ich möchte dir so gern die Seele geben;
Doch hast du sie durch ewigen Beschluß
Schon ohnehin, und nicht bin ich im Stande
Zu sagen, daß sie je mein eigen war.
Geschaffen hat, so viel ich mich besinne,
Der Himmel ohne Seele mich und die
Mir zugehörige Seele dir geschenkt.
Übersetzung: Georg Friedrich Daumer

Nun woher also meine angedeutete Distanz? Literatur generell, aber Lyrik noch intensiver, lebt in und aus einem Beziehungsgeflecht von Bezügen, Traditionen, Mentalitäten, der Art des Weltverständnisses, der unausgesprochenen Tiefendimension der Seele und vor allem und natürlich – Sprache. Einer ganz konkreten. Eine Sprache ist kein simples Kommunikationsmedium, sie ist ein lebendiger Organismus der Erinnerung, sie bewahrt eine tradierte Form der Weltaneignung, sie bildet einen Raum von Sinn, Mehrdeutigkeit, Übergängen. Und bei Hafis wurde mir einmal mehr die Unübersetzbarkeit von Dichtung deutlich. Deshalb muß man nicht sprachlos werden, aber es ist auch eine Art des Respekts, sich die partielle Unerreichbarkeit des anderen einzugestehen.

Ich widerstehe der Versuchung, mich bei dieser Gelegenheit zum Islam grundsätzlich zu äußern, bei jemandem, der die Abwehr der Türken vor Wien mit Beiträgen würdigt, würde das die Sache nur verkomplizieren. Zumal es eben auch hier Varianten von erheblicher Abweichung gibt. Nur soviel, die Haltung zu „Gott und der Welt“ bei Hafis, diese ist eine mir zutiefst sympathische und geprägt von größtem Seelenadel.

Ein aufgewühlter Wüstensand,
Hoch in die Luft getragen
Vom Winde, zum Azur.
Gott sei gelobt! Er hat mir
Die mörderische Gluth gedämpft,
Mir einen Regen herabgesandt,
Mich mild zurückgeschlagen
Zu meinem alten Ruhestand,
Hat mich gemacht zu fröhlichem,
Frisch aufgeblühtem Land.
Übersetzung: Georg Friedrich Daumer


Ungläubige macht und Gläubige dein Lockenhaar

Zu einer und derselben armen Sünderschaar.
In's Grübchen deiner Wange fällt ein schwach Gemüth.
Es fällt darein der große, starke Geist sogar.
Dein schwarzes Aug', ein Meisterstück der schwarzen Kunst.
Es zeucht zurück vom Aetherflug den Sonnen-Aar.
Wie sollte nicht die Nachtigall verloren sein,
Die zärtliche, die aller hohen Flüge baar?
Vergessen hat durch dich Hafis sein Frühgebet
Und Nachtgebet, und sein Verderb ist offenbar.
Übersetzung: Georg Friedrich Daumer

2 Kommentare:

Morgenländer hat gesagt…

"Literatur generell, aber Lyrik noch intensiver, lebt in und aus einem Beziehungsgeflecht von Bezügen, Traditionen, Mentalitäten, der Art des Weltverständnisses, der unausgesprochenen Tiefendimension der Seele und vor allem und natürlich – Sprache."

Sehr gut gesagt. Wer sich auch nur einmal leidenschaftlich auf ein Gedicht in fremder Sprache einlässt, wird bald gewahr werden, dass es da Unübersetzbares gibt, also etwas, das sich unserem 'Machen' entzieht.

Dies wird in den zeitgenössischen Debatten gern vergessen. Diese kennen (und verkennen) Kultur nur als 'Machwerk', als Gemachtes und Machbares.

Viele Grüße
Morgenländer

MartininBroda hat gesagt…

Ich bitte wirklich um Entschuldigung für die späte Reaktion.
Es war ein anregender Abend, das hilft gelegentlich bei der Verfertigung von Beiträgen, zumal mein Verstand häufig eher reaktiv arbeitet, bin ich ganz bei mir selbst, nehmen die Gedanken oft Reißaus.
Kultur als „Machwerk“, in der Tat, das beschreibt auch nach meiner Meinung einen Großteil der Problemhaftigkeit unserer Gegenwart. Es kommt wohl von einer Mischung aus Ignoranz, der Abwesenheit von Respekt, dem Leugnen von Maßstäben und einem gehörigen Maß an Selbstüberschätzung her.
Vielen Dank für den freundlichen Kommentar.