Montag, 10. Januar 2011

Seltsamkeiten



Es verrieselt, es verraucht,
Mählich aus der Wolke taucht
Neu hervor der Sonnenadel.
In den feinen Dunst die Fichte
Ihre grünen Dornen streckt,
Wie ein schönes Weib die Nadel
In den Spitzenschleier steckt;
Und die Heide steht im Lichte
Zahllos blanker Tropfen, die
Am Wacholder zittern, wie
Glasgehänge an dem Lüster.
Überm Grund geht ein Geflüster,
Jedes Kräutchen reckt sich auf,
Und in langgestrecktem Lauf,
Durch den Sand des Pfades eilend,
Blitzt das goldne Panzerhemd
Des Kuriers; am Halme weilend
Streicht die Grille sich das Naß
Von der Flügel grünem Glas.
Grashalm glänzt wie eine Klinge,
Und die kleinen Schmetterlinge,
Blau, orange, gelb und weiß,
Jagen tummelnd sich im Kreis.
Alles Schimmer, alles Licht;
Bergwald mag und Welle nicht
Solche Farbentöne hegen,
Wie die Heide nach dem Regen.

Das obige ist ein Stück aus dem Gedicht „Die Vogelhütte“ von Annette von Droste-Hülshoff, wie eigentlich alle ihre Gedichte ist es eher zu lang für so einen auf Kürze bedacht sein müssenden Blog. Vor einem Jahr war es mir noch gelungen, rechtzeitig daran zu erinnern, daß sie (vermutlich) am 10. Januar 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster geboren wurde. Dieses Jahr ist es leider ein Nachtrag geworden, das Datum trügt, wir haben in Wahrheit schon die Nacht auf Donnerstag. Aber erinnern wollte ich unbedingt an sie, es sind wenige Dichter, die eine so unverwechselbare Stimme aufweisen können, und der Droste-Hülshoff gelingt es mit ihren Worten, eine Welt so lebendig aufzurufen, daß man den Tau zu spüren glaubt.

Wer sich dem wahrhaft Schönen, dem im tieferen Sinne Geschaffenen öffnet, hat nicht nur die Freude und den Trost dieser Erscheinungen für sich, er erlebt oft daraus auch das Verbindende zu anderen Menschen, denen es ebenso ergeht. Eine Seele ohne Dichtung, ohne Kunst überhaupt, kann ich mir nur als eine trostlose und leere vorstellen, und eine verloren einsame dazu. Wie ich darauf komme. Zu meiner Überraschung hatte die Bloggerin Rosabella schon vor einem Jahr den eben genannten Beitrag kommentiert, ich habe sie gerade im Zusammenhang mit meinem Sonnabend-Beitrag zu dem Maler Alma-Tadema erwähnt (auch nachgetragen natürlich). Wir kennen uns also schon länger als ein Jahr, und etwa die Droste-Hülshoff ist es beispielsweise, was uns auf eine wohltuende Weise verbindet. Seltsam, wie die Zeit uns zerrinnt, ohne daß wir etwas davon bemerken, und uns im Wahn des immerwährenden Augenblicks fühlen.

2 Kommentare:

Rosabella hat gesagt…

ja, für wahr, die Zeit verrinnt ... wie Sand durch die Hände ... ein Jahr? und soll ich ehrlich sein, lieber Martin, mir kommt es mittlerweile irgendwie schon viel länger vor ... danke für die Erinnerung an "unser Jubiläum" und an andere, viele zauberhafte Dinge hier in Ihrem Blog ... herzliche Morgengrüße schickt die Rosabella und lässt Ihnen ein paar Zeilen aus dem Gedicht "Vor vierzig Jahren"
von Annette von Droste-Hülshoff da




" ... Da gab es doch ein Sehnen,
Ein Hoffen und ein Glühn,
Als noch der Mond »durch Tränen
In Fliederlauben« schien,
Als man dem »milden Sterne«
Gesellte was da lieb,
Und »Lieder in die Ferne«
Auf sieben Meilen schrieb ..."

MartininBroda hat gesagt…

Vielen herzlichen Dank für die Grüße sekundiert von Annette von Droste-Hülshoff, ja es ist schon etwas Merkwürdiges um die Zeit und ich kann nur erwidern, daß ich mich immer wieder mit großer Freude und Sympathie auf ihren so angenehmen wie anregungs- und kenntnisreichen Seiten aufhalte und froh bin, Sie auf diese Weise ein wenig kennengelernt zu haben.