Montag, 15. November 2010

"Altershausen" &

Wilhelm Raabe,
hier gefunden

Ich gebe zu, ich werde mit zunehmendem Alter immer unduldsamer gegen jegliche Redundanz um ihrer selbst willen. Jedes Spreizen, Aufplustern, Bramarbasieren, Schwadronieren macht mir physisch zu schaffen. Das geht soweit, daß mir sogar der gemächliche Erzählton des 19. Jahrhunderts fatal geworden ist. Meine Lektüre von Storm oder Fontane hat das bisher zwar nicht in Mitleidenschaft gezogen. Wilhelm Raabe allerdings, die dritte Berühmtheit aus dieser Epoche…

Ich hatte es heute noch einmal mit dem „Abu Telfan“ versucht, der sich zufällig in meiner Büchersammlung fand, so interessant sich das Thema anließ, die Durchführung, es ging irgendwie nicht. Jeder weiß, warum gerade heute Raabe genannt wird: Er ist schlicht gestorben, vor genau 100 Jahren, nicht daß ich mich mit einem Nachruf lächerlich machen wollte, aber immerhin, ich habe den einen oder anderen Artikel zu ihm gelesen und stieß auf zwei Sachen, die mein Mißvergnügen ins Wanken brachten - "Stopfkuchen" und "Altershausen".

Nicht daß er in seinem späten Roman "Stopfkuchen" geradedrauflos erzählen würde, es windet sich beträchtlich, aber offenkundig nicht ohne Hintersinn:

„Es liegt mir daran, gleich in den ersten Zeilen dieser Niederschrift zu beweisen oder darzutun, daß ich noch zu den Gebildeten mich zählen darf. Nämlich ich habe es in Südafrika zu einem Vermögen gebracht, und das bringen Leute ohne tote Sprachen, Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie eigentlich am leichtesten und besten zustande.“

Nun, es gelingt ihm von den ersten Worten seiner "See- und Mordgeschichte" an, den Leser bei Interesse zu halten, aber das war zu viel für einen Abend des erneut aufgeflackerten Interesses, also etwas Kürzeres vom Ende, von ganz am Ende – das Fragment "Altershausen", aber vorher doch wenigstens noch ein Zitat aus dem Ebengenannten:

"Ja, im Grunde läuft es doch auf ein und dasselbe hinaus, ob man unter der Hecke liegen bleibt und das Abenteuer an sich herankommen läßt, oder ob man sich ... hinausschicken läßt, um es draußen auf den Wassern und in den Wüsten aufzusuchen."

Und auch bei den Notizen von Obermedizinalrat Feyerabend, getätigt aus Anlaß seines 70. Geburtstags wollen wir mit dem Anfang beginnen:

„‘Überstanden!‘

Der das sagte, lag in seinem Bette, und nach dem Licht auf dem Fenstervorhang zu urteilen, mußte die Sonne eines neuen Tages bereits ziemlich hoch am Himmel stehen. Es war dem befreienden Seufzerwort ein längeres Zusammsuchen, erst der körperlichen Gliedmaßen, sodann der noch vorhandenen geistigen Fähigkeiten voraufgegangen. Beides nicht, ohne daß es, wie die Kinder sagen: wehe getan hatte.

Das Alter spricht oft der Kindheit ein Wort nach, weil es von Natur kein besseres weiß und, wenn es im Laufe der Jahre danach gesucht haben sollte, keins gefunden hat. Man braucht sich nicht immer an einer Tischecke gestoßen haben, es kann einem auch sein siebenzigster Geburtstag freundschaftlichst, ehrenvoll-feierlichst begangen worden sein.“

Dieser Beitrag muß für jetzt unbeendet bleiben, denn ich mag meine hastig verschlungene Lektüre nicht sofort wieder weitergeben, wer will, kann hier den Text finden, aber er ist dort unbequem zu lesen, wie auch immer, für heute gute Nacht.

3 Kommentare:

Morgenländer hat gesagt…

Raabe habe ich erst spät entdeckt und kenne auch jetzt nur wenig. Was ich aber von ihm gelesen habe ("Stopfkuchen", "Das Ödfeld", "Die Katen des Vogelsang"), hat mich schon sehr beeindruckt.

Raabe hat einen recht hintersinnigen Humor und weiß Dinge über uns, von denen wir nicht vermutet hättet, dass irgendjemand sie erraten würde.

Morgenländer hat gesagt…

Da hat sich in aller Frühe der Fehlerteufel eingeschlichen. "Die Katen des Vogelsang" dürften in der Weltliteratur wohl unbekannt sein; gemeint hatte ich natürlich "Die Akten des Vogelsang".

Zerknirschte Grüße
Morgenländer

MartininBroda hat gesagt…

Ich bitte um Vergebung, ich habe eben erst entdeckt, daß ich noch nicht geantwortet hatte, nun ich habe mittlerweile etwas an Lektüre nachgeholt und in der Tat, da ließe sich einiges anmerken. Ein scharfer Beobachter, hintergründig humorvoll zu sein und dabei in manchen verborgenen Winkel leuchtend, das kann man ihm zweifelsohne alles zusprechen, aber er liebt eben auch die Umwege und das Zerdehnen der Zeit, nun ja.