Samstag, 9. Januar 2010

Wilhelm Busch


Bilderserie aus "Max und Moritz"
hier gefunden

Über dem Lesen bin ich gestern ganz davon abgekommen, auch meine paar Bemerkungen über Wilhelm Busch zu machen, es ist heute nämlich in Wahrheit schon Sonntag. Aber da er so vergnüglich und tröstlich zu lesen ist, dachte ich gerade, ich breite ein paar meiner Lesefrüchte schon einmal aus, meine unmaßgeblichen Bemerkungen kann ich später immer noch nachtragen.

***

Nun gut also: Heinrich Christian Wilhelm Busch starb 9. Januar 1908, wer er war, muß man in Deutschland kaum jemandem erklären. Es gibt eine humorige und natürlich hintersinnige Kurzbiographie von ihm selbst, aus der das nachfolgende stammt und die man hier in Gänze lesen kann:

„Ja, die Zeit spinnt luftige Fäden; besonders die in Vorrat, welche wir oft weit hinausziehen in die sogenannte Zukunft, um unsere Sorgen und Wünsche aufzuhängen wie, die Tante ihre Wäsche, die der Wind zerstreut. - Als ob's mit dem Gedrängel des gegenwärtigen Augenblicks nicht grad genug wäre. Und dann dies liebe, trauliche, teilweis grauliche, aber durchaus putzwunderliche Polterkämmerchen der Erinnerung, voll scheinbar welken, abgelebten Zeugs; das dennoch weiter wirkt, drückt, zwickt, erfreut; oft ganz, wie's ihm beliebt, nicht uns; das sitzen bleibt, obwohl nicht eingeladen, das sich empfiehlt, wenn wir es halten möchten.“

Man nennt ihn schnell einen Humoristen, aber gerade in den Gedichten verbergen sich hinter dem schwungvoll lockeren Faltenwurf seiner Gedanken häufig eine durchdringende Beobachtungsgabe und ein scharfer Humor, die gemeinsam das Unechte, Banale und Aufgeplusterte wegätzen, vor allem aber ein tiefe Lebensweisheit, die oft bis ans Bittere heranreicht, nur daß sich dem letztlich immer seine Herzensheiterkeit in den Weg stellt und Einhalt gebietet. Ein Musterbeispiel, wie hintergründig Humor sein kann, und man fragt sich immer wieder, ob die meisten Menschen ihn gerade deswegen mögen oder weil ihnen dies unter der gefälligen Oberfläche verborgen geblieben ist.

Das nachfolgende stammt bis auf das letzte Gedicht aus „Kritik des Herzens“ (1874), und eben dieses aus „Schein und Sein“ (Gedichte aus dem Nachlaß, 1909).



Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquiliren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.



Ich kam in diese Welt herein,
Mich baß zu amüsiren,
Ich wollte gern was Rechtes sein
Und mußte mich immer geniren.
Oft war ich hoffnungsvoll und froh
Und später kam es doch nicht so.

Nun lauf ich manchen Donnerstag
Hienieden schon herummer,
Wie ich mich drehn und wenden mag,
's ist immer der alte Kummer.
Bald klopft vor Schmerz und bald vor Lust
Das rothe Ding in meiner Brust.



Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
So hab ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.



Die Rose sprach zum Mägdelein
Ich muß dir ewig dankbar sein,
Daß du mich an den Busen drückst
Und mich mit deiner Huld beglückst.

Das Mädchen sprach: O, Röslein mein,
Bild dir nur nicht zu viel drauf ein,
Daß du mir Aug und Herz entzückst.
Ich liebe dich, weil du mich schmückst.



Du fragtest mich früher nach mancherlei.
Ich sagte dir Alles frank und frei.
Du fragtest, wann ich zu reisen gedächte,
Welch ein Geschäft ich machen möchte.
Ich sagte dir offen: dann und dann;
Und gab dir meine Pläne an.
Oft hat die Reise mir nicht gepaßt;
Dann nanntest du mich 'n Quirlequast.
Oft ging's mit dem Geschäfte krumm;
Dann wußtest du längst, es wäre dumm.
Oft kamst du mir auch mit List zuvor;
Dann schien ich mir selber ein rechter Thor.
Nun hab ich, weil mich dieses gequält,
Mir einen hübschen Ausweg erwählt.
Ich rede, wenn ich reden soll,
Und lüge dir die Jacke voll.



Er stellt sich vor sein Spiegelglas
Und arrangirt noch dies und das.
Er dreht hinaus des Bartes Spitzen,
Sieht zu, wie seine Ringe blitzen,
Probirt auch mal, wie sich das macht,
Wenn er so herzgewinnend lacht,
Uebt seines Auges Zauberkraft,
Legt die Cravatte musterhaft,
Wirft einen süßen Scheideblick
Auf sein geliebtes Bild zurück,
Geht dann hinaus zur Promenade
Umschwebt vom Dufte der Pomade,
Und ärgert sich als wie ein Stint,
Daß andre Leute eitel sind.




Ach der Tugend schöne Werke,
Gerne möcht ich sie erwischen,
Doch ich merke, doch ich merke,
Immer kommt mir was dazwischen.



Wer möchte diesen Erdenball
Noch fernerhin betreten,
Wenn wir Bewohner überall
Die Wahrheit sagen thäten.

Ihr hießet uns, wir hießen euch
Spitzbuben und Hallunken,
Wir sagten uns fatales Zeug
Noch eh wir uns betrunken.

Und überall im weiten Land,
Als langbewährtes Mittel,
Entsproßte aus der Menschenhand
Der treue Knotenknittel.

Da lob ich mir die Höflichkeit,
Das zierliche Betrügen.
Du weißt Bescheid, ich weiß Bescheid;
Und Allen macht's Vergnügen.



Die erste alte Tante sprach:
Wir müssen nun auch dran denken,
Was wir zu ihrem Namenstag
Dem guten Sophiechen schenken.

Drauf sprach die zweite Tante kühn:
Ich schlage vor, wir entscheiden
Uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Das mag Sophiechen nicht leiden.

Der dritten Tante war das recht:
Ja, sprach sie, mit gelben Ranken!
Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht
Und muß sich auch noch bedanken.



Früher, da ich unerfahren
Und bescheidner war als heute,
Hatten meine höchste Achtung
Andre Leute.

Später traf ich auf der Weide
Außer mir noch mehre Kälber,
Und nun schätz ich, so zu sagen,
Erst mich selber.



Die Liebe war nicht geringe.
Sie wurden ordentlich blaß;
Sie sagten sich tausend Dinge
Und wußten noch immer was.

Sie mußten sich lange quälen,
Doch schließlich kam's dazu,
Daß sie sich konnten vermählen.
Jetzt haben die Seelen Ruh.

Bei eines Strumpfes Bereitung
Sitzt sie im Morgenhabit;
Er liest in der Kölnischen Zeitung
Und theilt ihr das Nöthige mit.



Frisch gewagt

Es kamen mal zwei Knaben
An einen breiten Graben.
Der erste sprang hinüber,
Schlankweg, je eh'r, je lieber.
War das nicht keck?
Der zweite, fein besonnen,
Eh' er das Werk begonnen,
Sprang in den Dreck.

2 Kommentare:

Busch auf der Aue hat gesagt…

Oh Martin, sprach der Onkel Bolte,
Was ich schon immer sagen wollte,
Erziehe uns als Mensch und Christ:
Erzaehl' Geschichten uns vom Boesen:
Das macht Plaesier, wenn man es liest,
Und keinen Schreck, weil's schon gewesen!

MartininBroda hat gesagt…

Wir versuchen es, wir versuchen es, wenn auch um Äonen verspätet; mitunter fällt das Gefühl für die Zeit einfach von uns ab, und dann schlägt spät, aber wirksam, die Reue zu.