Sonntag, 20. Dezember 2009

Leopold von Ranke und ein fragwürdiger Geburtstag


Kirche in Wiehe
(c) Markus Vette

Ich freue mich tatsächlich sehr, hier heute einen Freund als neuen Gastautor vorstellen zu können. Daher diese kurze Vorbemerkung. Dr. Dr. Markus Vette macht ein paar Bemerkungen u.a. zu Leopold von Ranke, der nach allgemeiner Auffassung am 21. Dezember 1795 geboren wurde. Das Schöne an Markus‘ Büchern ist, daß man bei ihm sicher davon ausgehen kann, daß er nicht von anderen abgeschrieben hat, sondern selbst in den Archiven und Pfarrämtern war, etwa um Kirchenbücher einzusehen.

Das mögen manche als Bemerkung etwas merkwürdig finden, aber leider ist das Abschreiben bei sich wissenschaftlich gebender Literatur heute verbreiteter als man gemeinhin glaubt. Wie auch immer, den vorwiegend geistlichen Gastbeiträgen des Herrn Roloff hoffen wir also künftig auch einige historische und politikwissenschaftliche von diesem Autor an die Seite stellen zu können, auch wenn sein Vertrauen in die Aufklärung und den ganzen Rest, der dem gefolgt ist, weitaus größer sein dürfte als bei mir, aber schließlich ist nichts langweiliger, als ständig zustimmen zu müssen:


(c) Markus Vette

Der fragwürdige Geburtstag

Im kleinen Städtchen Wiehe im Unstruttal am Rande der Goldenen Aue kann man im Kirchenbuch lesen, dass am 20. Dezember 1795 in der Familie Ranke der Sohn Franz Leopold geboren wurde. Der Säugling wurde am 26. Dezember in der Bartholomäus-Kirche getauft. Doch seinen Geburtstag beging und begeht man am 21. Dezember. Warum, weiß man bis heute nicht.

Aus der Familie ging – der Leser ahnt es – der Preußische Historiograph Leopold von Ranke (1865 geadelt) hervor. Nach seiner Auffassung steht jede Zeit in der Geschichte „unmittelbar vor Gott“, lässt sich also nicht auf die Feststellung ihrer Ergebnisse für die nächste Generation reduzieren. Fortschrittsgläubigen und historische Missionen verfolgenden Gelehrten und Politikern konnte dies nicht behagen. Leopolds Brüder wurden nicht nur – wie Generationen seiner Vorfahren – Theologen. Ein Bruder gründete in Teupitz bei Berlin eine Siedlung um Rankenheim am Silbersee, verstarb aber früh. Leopolds Bruder Heinrich wirkte nahe Nürnberg, ihm verdanken wir den Text zu „Tochter Zion“ und „Herbei, Ihr Gläubigen“: Beide Lieder begleiten uns in der Weihnachtszeit. Die Familie war innerhalb einer Generation in ganz Deutschland ansässig geworden. Leopold von Ranke war mit General von Manteuffel befreundet. Seine Frau stammte aus der englischen Aristokratie. Leopold von Ranke und seine Frau hatten vier Kinder, drei wurden erwachsen. Der älteste Sohn Otto beförderte als evangelischer Pfarrer die Sozialarbeit der „Jünglinge“ im wachsenden Norden Berlins, einem sozialen Brennpunkt, seine Schwester heiratete in die Nähe der Heimat, der jüngste Bruder Friduhelm wurde preußischer General. Leopold von Ranke starb 1886 und wurde an der Sophienkirche in Berlin beigesetzt.

Treffen sich in dieser Familie Thron und Altar, Kirche und Kaserne, wie mitunter Preußen holzschnittartig skizziert wird? Wohl kaum. Wer sich mit dem Leben und dem Wirken der Familie Ranke befassen will, sei auf den Ranke-Verein in Wiehe verwiesen, wo man sich des Erbes der Familie bewusst ist. Durch das weihnachtlich verschneite Wiehe fahrend wird man von der Wirkung dieser Familie aus dieser Kleinstadt beeindruckt sein. Dem fragwürdig gebliebenen Geburtsdatum Leopold von Ranke steht seine wissenschaftliche Leistung für die Geschichtswissenschaft, der er die historische Methode auferlegte, fraglos gegenüber.

2 Kommentare:

Pilgrim hat gesagt…

After my Dad read your post, he he found it very questionable, cuz Ranke was the Kaiser´s history writer! Propz Pilgrim

Anonym hat gesagt…

Leopold von Ranke war und ist umstritten, in der Tat. Er war eng mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verbunden, also mit dem preußischen König, der "vor dem deutschen Kaiser" regierte. Dieser Hinweis soll nicht spitzfindig sein, sondern zielt auf die differenzierte Betrachtung "der Rankes", für die ich ein wenig zu werben versuchte. Markus Vette