Montag, 10. August 2009

Verwirrendes



Ich bin nun wirklich nicht sehr überdurchschnittlich gebildet, habe aber so ein diffuses Grundgefühl. Wenn mir also jemand sagen würde, Assurbanipal habe ein neues Buch veröffentlicht, würde ich mir vermutlich irritiert ein wenig den Kopf kratzen, oder wenn jemand esoterisch Angehauchtes mir etwa von seinen ägyptischen Visionen erzählte (ich sag‘ ja immer, wer nur Visionen hat, ist zu bequem zu lesen), würde ich denken, nicht sagen, sagen bringt bei denen schon lange nichts mehr, die haben richtige Pyramiden doch nur im Alten Reich gebaut, wie auch immer. Georg Kreisler, da dachte ich bisher, lustig, lange tot; peinlich, stimmt nämlich nicht. Wahrscheinlich ist E.T.A. Hofmann irgendwie daran schuld, wegen seines Kapellmeisters Johannes Kreisler, wie auch immer.

Ich lese also heute im „Perlentaucher“: „Der Kabarettist und Komponist Georg Kreisler rechnet in seiner Autobiographie "Letzte Lieder" mit bürgerlichem Kleingeist, nationalistischem Größenwahn, der Stadt Berlin, dem Staat Österreich und schließlich dem ganzen letzten Jahrhundert ab.“ Das ist schon mal eine Menge, Komponist (haha), der lebt also noch. Und dann, das wird ein rechter Schund sein, aber die Lieder sind lustig, lustig ist nun mal lustig, auch wenn man die Ansichten nicht teilt.

„Von der Wahrheit muss man schweigen, über die Wirklichkeit lässt sich reden. Es gibt viele Wirklichkeiten und nur eine Wahrheit. Unsere Wirklichkeit liegt in der Kunst, aber das kann man nicht beweisen, und Naturwissenschaftler wie wir sind skeptisch. Wir beweisen alles und nichts. Wir beweisen die Technik und nennen sie Fortschritt. Wir glauben an uns selbst ohne die geringsten Beweise. Wir haben mit der Wirklichkeit nichts am Hut, nur mit der Religion, die sich ‚Naturwissenschaft‘ nennt. Wir beweisen, dass die Technik nicht funktioniert.“

„Bluten wir nicht, ohne es zu merken? Steigen wir nicht täglich offenen Auges in ein Grab? Hingegen, wenn Heine reimt: ‚Es gibt zwei Sorten Ratten, die hungrigen und satten‘, soll man sich das nicht auf der Zunge zergehen lassen, soll man da nicht spüren, dass das die Wirklichkeit ist? Natürlich ist es nicht die volle Wirklichkeit, sondern nur ein Teil derselben, und ich weiß: Auch dieser kleine Teil ist nicht leicht einzuatmen. Aber die Entdeckung, dass die Kunst versucht, uns die Wirklichkeit plausibel zu machen, ist etwas Grandioses. Damit ist mein Leben eigentlich schon erzählt.“

Der Mann ist gut und darum vermerke ich widerstrebend, er hat gerade seine Autobiographie veröffentlicht, ohne unhöflich sein zu wollen (hier diesmal wirklich nicht), mit 87 sollte man dies zumindest kurz erwägen, nur ein kleiner Einschub (!), wenn jemand die „neue“ Rechtschreibung verwendet, schlummert dort nicht doch ein verborgener Opportunist:

Georg Kreisler: Letzte Lieder
Autobiografie

Arche Literatur Verlag, Zürich 2009
160 Seiten, gebunden, Euro 19,90

Während mir das Lesen der Leseprobe noch echte (kultivierte) Rührung in die Augen treibt, will ich dies hier für heute schnell beenden, mit zwei ausgesprochen grenzwertigen Videos (kleine Lockerungsübung), viel Spaß:




2 Kommentare:

Pilgrim hat gesagt…

A german secretary once said "wer visionen hat soll zum arzt gehn", correct after all, G.Benn was pretty right on this one. :-)Propz Pilgrim

MartininBroda hat gesagt…

Right, but I have to quote in German this time. Chancellor Schmidt once said: "Wer Visionen hat, soll zum Augenarzt gehen".
Btw. I hope the silly videos were entertaining enough, because you have asked for entertaining stuff.